Dienstag, 1. September 2015

neu: BWK_1883ff_1




Die BWK im Kaiserreich: 


Rasches Wachtum, gute Dividenden, aber wenig publizierte Informationen



1. Teil



Die ersten Anfänge vieler bedeutender Entwicklungen liegen häufig zumindest teilweise im Dunkeln. Gründungsmythen ersetzen dann schnell präzise Fakten und können dadurch die tatsächlichen Abläufe in ein besonderes märchenhaftes Licht tauchen. 

Das gilt für die Bremer Woll-Kämmerei nur bedingt, auch wenn es eine Gründungsgeschichte gibt, in der ein Konsortium von sieben Bremer Honoratioren, also eine Anzahl, die nicht ohne symbolische Bedeutung ist, eine gewichtige Rolle spielt. Die Menge "7" hat neben ihren mathematischen Eigenschaften einen psychischen Aspekt, wie wir durch einige sprachliche Wendungen erfahren. Die Primzahl steht in vielen Fällen für eine Anzahl, in der alle wichtigen Teilbereiche eines Zusammenhangs vertreten sind, drückt damit also eine gewisse Vollständigkeit aus. Das gilt etwa für die sieben Tage einer Woche, die sich an die Zahl der bereits im Altertum bekannten beweglichen Himmelskörper Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn anlehnt, die sieben Todsünden der klassischen katholischen Theologie oder einfach an die Siebensachen, die jemand als seinen gesamte Besitz zusammenpacken soll. 


Aber neben den sieben Schwaben und den glorreichen Sieben kennt man auch die sieben Weltwunder. Die gaben einigen Besucher der späteren Wollkämmerei, also eines Betriebe, in dem Rohwolle so veredelt wird, dass sie sich zu Kammgarn spinnen und anschließend zu hochwertigen Stoffen weben lässt, eine Hinweis, wie sich das Erlebte zusammenfassen ließ. Nicht wenige waren damals von der Größe und der rational durchdachten Anordnung der einzelnen Betriebsteile dieser Fabrikstadt an der Weser so beeindruckt, dass sie von einem achten Weltwunder sprachen.

Zwar waren die sieben Gründer keine hochrangigen Adligen oder Kleriker, aber nicht mehr und nicht weniger als sehr bekannte und vor allem einflussreiche Honoratioren der Hansestadt Bremen, die sehr hilfreiche Verbindungen sowohl zu den wichtigen staatlichen Stellen als auch zum weltweiten Wollhandel in ihren Händen hielten. Das wird besonders deutlich, wenn man sieht, dass sie aus Familien stammten, deren Angehörige Mitglieder Präses der Bremer Handelskammer oder bremischer Senator waren. Man kann also feststellten, dass die Gründer über ein soziales Netzwerk verfügten, wie es sich ein junges Unternehmen, das erfolgreich am Markt agieren will, nur wünschen kann.

Was für das Konsortium als Ganzes gilt, trifft praktisch auf jedes einzelne Mitglied zu. Es verfügte über hohes Ansehen, Kompetenzen in der Wirtschaft und speziell dem Wollgeschäft und wohl auch über Kapital.

Erfahrungen in der Leitung eines anderen Unternehmens der Wollveredlung brachte George Albrecht ein, der als Vorstand der gut zehn Jahre vorher gegründeten Bremer Woll-Wäscherei in Burg-Lesum fungierte. Damit war er generell mit den Tätigkeiten zwischen der Anlandung der Rohwolle und Weiterverarbeitung in den Spinnereien vertraut, die damals wie beispielsweise bei der Kammgarnspinnerei und Tuchfabrik Joh. Wilh. Scheidt in Köln Teile der Spinnereien waren. So umfasste etwa Scheidt auch eine Wollsortierung, eine Krempelei und eine Kämmerei (Pleitgen, S. 118). Zudem stellte eine Wäscherei, wie er sie George Albrecht bereits leitete, einen Teil der für das neue Unternehmen in Blumenthal vorgesehenen Tätigkeiten dar.

Gründer dieser Wollwäscherei war Heinrich Claußen als weiteres Mitglied des Konsortiums, der zunächst in einer Reederei tätig war, bevor er seit 1875 als einer der beiden Direktoren an der Spitze der Bremer Sparkasse stand.

Enge Verbindungen zur Schifffahrt besaß auch der Reeder und Wollhändler Johannes Fritze, der aus einer Dynastie stammte, die sich auf eben diese Bereiche spezialisiert hatte. Auf Bezüge zur Politik konnten der preußische Generalkonsul Friedrich Wilhelm Delius und der königlich portugiesische Konsul und Kaufmann Carl Johann Friedrich Weinlig verweisen. (Scholl)

Hinzu kamen noch zwei Vertreter der bekanntesten und wohl auch vermögendsten Bremer Familien. Dabei handelte es sich um J. Hachez aus der Kaufmannsfamilie Hachez und C. Kulenkampff, dessen Familie verwandtschaftlich entfernt mit Ludwig Knoop verbunden war, also dem Bremer Großkaufmann, der durch seine Textilunternehmen zu den erfolgreichsten Unternehmern des 19. Jahrhunderts zählt und in jungen Jahren die maschinelle Baumwoll-Spinnerei und –Weberei sozusagen an ihrer Wiege in Manchester kennengelernt hatte.

Es gab jedoch innerhalb des Konsortium auch einen örtlichen Bezug zu Blumenthal, denn der Reeder und Kaufmann Fritzen hatte dort 1852 gemeinsam mit zwei anderen Kaufleuten die Steingutfabrik Witteburg gegründet. Er kannte daher nicht nur Blumenthal, sondern auch die unternehmerischen Herausforderungen, die ein Industriebetrieb stellt. (Fiedler 2013)

Was die Herren dieses Konsortiums auf der Gründungsversammlung ausführten und zuvor an betriebswirtschaftlichen Überlegungen angestellt haben, ist praktisch so unbekannt wie informative Gewinn- und Verlustrechnungen in den ersten Bilanzen. Man kann es nur aus einer Analyse der damaligen Wollwirtschaft und dem gebauten Werk mit seiner Größe, seinem Standort, seiner Mitarbeiterzahl und anderen harten sichtbaren Fakten erschließen.

Gemeldet wurde zumindest als Nachricht die Eröffnung der„Constituierenden Generalversammlung“ der Aktiengesellschaft Bremer Woll-Kämmerei 
durch den Bremer Kaufmann George Albrecht in den Räumen der Gesellschaft „Museum“ am Domshof in Bremen am 13. Aril 1883 um 15 Uhr. Im juristisch fixierten Ergebnis wurden die Gründung und als Zweck des Unternehmens die "Lohnkämmerei, sowie Beteiligung an damit verwandten oder naheliegenden Geschäftszweigen; evtl. auch Kauf und Verarbeitung von Wolle für eigene Rechnung" sowie ein Grundkapital von zunächst 2,25 Mio. Mark beschlossen.


Die kleine, ältere Halbschwester an der Lesum

Diese Firmenneugründung besitzt in einem anderen Ortsteil des Bremer Norden eine ältere Halbschwester, an deren Entstehen einige der Väter der BWK beteiligt waren. Das gilt vor allem für George Albrecht, der als Vorstand dieser Bremer Woll-Wäscherei fungierte und den Bau der BWK als sein weiteres Kind besonders engagiert förderte, indem er die Versammlung des Konsortiums leitete und später kaufmännischer Vorstand des neuen Unternehmens wurde.

Die Gründung der Wäscherei in Lesum erfolgte bereits 1872 während der Gründerjahre nach dem Sieg im deutsch-französischen Krieg, als mit der Entstehung des Deutschen Reiches eine Aufbruchstimmung in der gesamten deutschen Wirtschaft ausgelöst wurde. Dazu trug auch das Kapital der französischen Reparationszahlungen bei. Entscheidender dürfte jedoch das verbreitete Ziel gewesen sein, Frankreich auch bei der Industrialisierung des Landes zu übertreffen und nicht weiter hinter England oder gar Belgien im Hintertreffen zu liegen. Man wollte nicht, wie es der damals einflussreiche Nationalökonom Friedrich List als drohende Gefahr ausmalte, zum „Wasserträger und Holzhacker der Briten“ werden. 

Diese spezialisierte Wollwäscherei, wie man sie damals auch im belgischen Verviers fand, konnte der BWK nicht unbedingt als Vorbild dienen, da sie die Chancen des wachsenden Bremer Wollhandels nur sehr bedingt nutzte. Ihre Mitarbeiterzahl schwankte entsprechend der volatilen Wollkonjunktur nur zwischen wenig beeindruckenden 120 bis 140 Personen und erreichte auch in Boomphasen bestenfalls 180 Beschäftigte. (Ellerkamp, S. 35) Dabei handelte es sich um einen langjährigen Stamm einheimischer Arbeitskräfte, unter denen die Frauen, die fast alle in der Sortierung arbeiteten, ein Viertel ausmachten. (Ebenda, S, 36) 

Diese Entwicklung sprach, wenn man als Kapitalgeber höhere Ansprüche hatte, nicht unbedingt für eine Kopie dieses Geschäftsmodells, was die BWK auch nicht versuchte. Die Richtigkeit dieser Entscheidung zeigte sich 1929 als die Wollwäscherei liquidiert wurde. Die Ursache dafür war nicht zuletzt die nahe und übermächtige BWK.(Ebenda, S, 36)
  
Die Rahmenbedingungen des globalen Wollmarktes: Erzeugerländer und Preise


Ein neues und jungen Unternehmen wie die geplante Bremer Woll-Kämmerei hat fast immer dann einen guten Start, wenn sie sich in einem Markt bewegt, der wächst oder sich in einem Umbruch befindet, wobei man im letzten Fall zum richtigen Zeitpunkt auf den beginnenden Trend setzen muss.

Dabei lässt sich leicht feststellen, dass die Gründungszeit der BWK aufgrund der Situation des Wollmarktes für einen neuen, zusätzlichen Kämmereibetrieb sehr günstig war, falls man sie vor dem Hintergrund der vorangegangenen Jahre betrachtet.

Mit der Vor- und Frühindustrialisierung stieg seit den 1830-er Jahren die Bevölkerung in Europa und Nordamerika, da zwar die Mütter- und Säuglingssteblichkeit deutlich sank, jedoch keine Änderung des Sexualverhaltens erfolgte. So kam es damals zu einem ungewöhnlich großen Bevölkerungswachstum, zu dem sowohl die natürliche Bevölkerungsentwickung betrug, da die Zahl der Sterbefälle bei den Kindern und Müttern zurückging und eine Zuwanderung in die entstehenden Industriezentren etwa im Ruhrgebiet einsetzte. Damit stieg neben dem Bedarf an Nahrungsmitteln auch die Nachfrage nach Textilien, also in erster Linie Baumwolle und Wolle.

Da sich die Produktion der tierischen Fasern nicht entsprechend schnell steigern ließ, "erreichten die Wollpreise Ende der 1830-iger Jahre einen Höchststand, der nur nach Ende des Weltkrieges vorübergehend (1919/29) einmal übertroffen worden ist." (Behnsen, S. 80f.)

Als wichtiger Indikator für den Bedarf an Schafwolle kann die Einwohnerzahl dienen. Danach fiel die BWK-Gründung in eine Phase deutlich wachsender Nachfrage, weil die Einwohnerzahl des Deutschen Reiches zwischen 1871 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges von 41 Mio. auf 65 Mio., also um mehr als 50 %, gestiegen ist. Damit war das jungen Unternehmen nicht auf einen häufig teuren Verdrängungswettbewerb angewiesen, sondern konnte auf die zusätzliche neue Nachfrage setzen.

Ähnliche Trends zeigen detaillierte Einwohnerzahlen für Bremen, wobei die unterschiedlichen Steigerungsraten im Zeitablauf deutlich werden.


                 Einwohnerzahl Bremens zwischen 1790 und 2009

Anmerkungen: 1: 1790, 2: 1831, 3: 1871, 4: 1913, 5: 1940, 6: 1969 und 7: 2009 ( Quelle: wikipeda)

Dabei wird für Bremen das besonders ausgeprägte Wachstum während der hier interessierenden Jahre zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende deutlich. Das zeigt der rapide Anstieg seit 1871. Im Detail kann noch eine genauere Terminierung des Wachstums erfolgen, wie es die Tabelle versucht.


Die Entwicklung der Einwohnerzahlen Bremens zwischen 1790 und 2009
DatumEinwohnerzahlMesszahlenDifferenz zur zeitlich vorangegangenen
Einwohnerzahl
1790
30.000
100
-
1831
44.286
148
14.300
1871
82.969
277
38.700
1885
118.395 
395
35.400
1913
265.711
886
147.300
1933
324.189
1.080,6
58.500
1940
441.800
1.472,7
117.600
1945
289.221
964
- 152.600
1969
607.184
2.023,9
318.000
2009
547.685
8.256
-59.400
Quelle:wikipedia


Auch in absoluten Zahlen, die für die Erzeugung von Kammzügen die vor allem relevante Bezugsgröße darstellen, stieg zwischen 1831 von 1871 um knapp 40.000. Ähnlich hoch war es in der folgenden kürzen Periode zwischen der Reichs- und der BWK-Gründung. Ein wirklich rasantes Wachtum folgte dann jedoch im Zeitraum 1885 - 1911. In diesen gut 25 Jahren wuchs die Bevölkerung um knapp 150.000 Personen, wodurch sich die Einwohnerzahl Bremens mehr als verdreifachte. Damit war fraglos auch eine vergleichbar hohe Nachfragesteigerung bei Wolltextilien verbunden.

Als Reaktion auf die hohen und zunächst steigenden Preise wuchs die Schafhaltung in den großen Staaten Europas wie Deutschland, England, Frankreich und Österreich noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. 

Erst dann begann sich das neue Angebot der Schafzüchter von der Südhalbkugel auszuwirken, wo sich die Wolle als fast ideales Exportprodukt produzieren und verschiffen ließ, da man die Rohwolle leicht lagern und ohne Qualitätseinbußen über lange Strecken transportieren konnte. Diesem wachsenden Wollangebot aus "Übersee mit seinen viel geringeren Gestehungskosten entsprach ein Rückgang der Preise, die nach vorübergehenden Tiefpunkten in den Jahren 1870 und 1876 schließlich 1894/5 den bisher tiefsten Stand erreichten" (Behnsen, S. 80f.)

Der tiefgreifende räumliche Wandel der Wollproduktion blieb nicht ohne Komplikationen mit den entsprechenden Effekten für den Preis. Da zu viele Farmer in einem zu hohen Ausmaß von dem lukrativen Wollgeschäft profitieren wollten, überstieg die Produktion auf der Südhalbkugel die Nachfrage und Aufnahmekapazität in den Verbraucherländern, was in den 1890-er Jahren zu einer wirtschaftlichen Depression vor allem in Australien beitrug, das wegen seiner prinzipiell idealen Bedingungen für die Schafzucht von diesem temporären Absatzstau besonders betroffen war. 

Dadurch sank die Rohwolle zur Gründungszeit der BWK im Jahre 1894 auf einen Tiefpreis, nachdem der Trend bereits 20 Jahe lang nach unten gezeigt hatte. Als weitere ganz reale Faktoren, die einen Preis- und Mengeneffekt besitzen, kamen 1891 noch ein halbjähriger Streik der Scherer in Queensland und zwischen 1895-1902 eine der größten Dürren hinzu, die die australischen Schafzüchter jemals erlebt haben. Dadurch reduzierte sich in Queensland, das am stärksten betroffen war, die Zahl der Schafe um zwei Drittel. (Henzell, S. 70)

Das waren jedoch nur Ereignisse, die den großen Trend auf dem Wollmarkt zwar leicht modifizieren, aber nicht stoppen konnten. Wie die folgende Tabelle der "Wollverschiffungen aus Übersee" veranschaulicht, stiegen die Wollimporte Westeuropas und der USA, d.h. der wichtigsten Regionen mit einer industriellen Weiterverarbeitung von Rohwolle, nach den ersten überhaupt vorliegenden Zahlen zwischen 1900 und 1914 erheblich. Das galt vor allem für Australien und Neuseeland, die damals als "Austalasien" zusammengefasst wurden; denn hier kam zu mehr als einer Verdoppelung. 

Für die südamerikanischen Wollländer kam es hingegen eher zu einer Stagnation, wenn nicht sogar zu einem leichten Rückgang. Insgesamt bestätigt die Ausfuhrtabelle den wachsenden Anteil vor allem australischer Rohwollexporte für die europäische Kämmereiindustrie, die immer weniger auf die Wolle ausgerichtet, die von Schäfern und anderen Schafhaltern in Europa produziert wurde.


             Wollexporte von der Südhalbkugel 1880/1 - 1913/4

                                                      Quelle: Behnsen, S. 82


Vergleicht man den Beginn der Zeitreihen, also das Wolljahr 1900-1, mit dem Ende (1913-4), wird deutlich, dass sich die Wollausführungen aus Australien und Neuseeland in gut einer Dekade mehr als verdoppelt haben. Entsprechendes gilt relativ gesehen für die absolut deutlich kleineren Mengen aus Südafrika, während die aus Südamerika, also vor allem aus Argentinien und Uruguay, eher rückläufig waren. Dadurch wurde Australien zum beherrschenden weltweiten Wollexporteur.

Nach diesen Daten über die Einwohnerentwicklungen, die Wollpreise und vor allem die gehandelte Wollmenge erfolgte damit die Gründung der Wollkämmerei in Bremen zu einem fast idealen Zeitpunkt: die Zahl der Konsumenten wuchs in jenen Jahren kräftig und die Wollproduktion verlagerte sich rasch nach Australien und auf die übrige Südhalbkugel der Erde, was in Deutschland Bremen zu der Stadt machte, über die wachsende Rohwollmengen zu den bereits bestehenden Spinnereien und Webereien im Hinterland transportiert werden mussten.

Die Blumenthaler Standortfaktoren


Der Vorstand der Wollwäscherei wie auch die anderen beteiligten Wollhändler hatten aufgrund ihres Berufs einen optimalen Einblick in den damaligen Wollhandel und die Wollindustrie. Dabei konnten sie feststellen, dass Deutschland deutlich hinter der Entwicklung in England, Frankreich und Belgien herhinkte. Gleichzeitig befand sich die globale Wollwirtschaft jedoch in einem deutlichen Umbruch, sodass sich neuen Unternehmen, die auf diesen erkennbaren Trend setzten, gute Einstiegschancen eröffneten.

Dabei rückte vor allem die Hafenstadt Bremen als Wollhandelszentrum in den Mittelpunkt der Überlegungen. Zunächst hatte sich die Wollverarbeitung in Europa auf die heimische Schafzucht gestützt, deren Wolle handwerklich weiterverarbeitet wurde, bis die ersten industriellen Spinnereien und Webereien entstanden, nachdem die ersten Maschinen für diese Bearbeitungsschritte erfunden worden waren. 

Gute Verarbeitungsstandorte waren daher zunächst entweder die Regionen mit einer verbreiteten Schafhaltung oder die Bevölkerungszentren mit zahlreichen Kunden. Allerdings spielte auch die Tradition alter Wollstandorte eine große Rolle, da die handwerkliche Wollverarbeitung viel Erfahrung und ein in langen Zeiträumen aufgebautes Qualitätsimage benötigte. Nicht zuletzt deswegen galt damals die Wolle als der große Reichtum Englands und speziell der Grafschaft Yorkshire im Nordosten.

Das änderte sich, als die günstigen Bedingungen für die Schafzucht in Südamerika, Südafrika und nicht zuletzt in Australien und Neuseeland von den dortigen Farmern genutzt wurden. Auf ihren riesigen landwirtschaftlich sonst nur begrenzt nutzbaren Flächen, die vor allem wegen des Mangels an Niederschlägen sehr preiswert waren, ließ sich die Schafzucht erheblich kostengünstiger betreiben als in Europa, was nach und nach zu einem deutlichen Rückgang der Wollproduktion vor allem auch in Deutschland führte. Auf der anderen Seite erfolgte gleichzeitig der Aufstieg Australiens zum globalen Wollland Nr. 1, wozu vor allem die besonders für hochwertige Textilien nachgefragte Wolle der Merinos beitrug.

In der Zeit der Gründung der Bremer Wollwäscherei und der Bremer Woll-Kämmerei verwandelte sich Deutschland daher von einem Wollexport zu einem Wollimportland (S. 34), wobei 1872 ein Viertel des Handels über Bremen ging.

Im Vergleich zu den Einfuhren verlor die einheimische Schafzucht in dieser Zeit ihre Bedeutung, denn während 1870 noch rund 25 Mio Schafe gehalten wurden, sank ihre im Jahr 1913 auf nur noch 5,5 Mio. Damit musste Deutschland, das damals rund 17% der weltweit erzeugten Wolle verbrauchte, 94 % dieser Menge einführen.

Das sprach, vor allem wenn man von einer Fortsetzung dieses Trends ausging, für einen Makrostandort Bremen, da hier die Rohwolle von Übersee angelandet wurde, um sie dann zu den Weiterverarbeitungsstandorten im Hinterland zu transportieren. Das erfolgte damals vor allem durch die Eisenbahn.

Daher benötigte man für die Neugründung die Nähe zu einer Bahnlinie, sodass sich die Rohwolle idealerweise von einem Schiff direkt in die Kämmerei transportieren ließ und abschließend die gewonnen Vorprodukte über einen Bahnanschluss auf dem Werksgelände zu den weiterverarbeitenden Betrieben ausgeliefert werden konnten. Diese Möglichkeit wurde damals mit dem geplanten Bau der Farge-Vegesacker-Eisenbahn geschaffen, auch wenn sich der Bahnanschluss für die BWK um ein paar Jahre verschob und die BWK erst mit einem guten alten Pferdewagen die Kammzüge zum Bahnhof bringen musste. (Weser-Kurier vom 1.6.1983)
  
Blumenthal hatte jedoch noch einen weiteren Standortvorteil gegenüber der Stadt Bremen; denn es gehörte damals zu Preußen, womit es zum Gebiet des Deutschen Zollvereins zählte, dem Bremen erst 1888 beitrat. Das war aber nicht absehbar und das Konsortium wählte daher den sicheren Weg, um die später produzierten Kammzüge nach Sachsen, Württemberg oder in andere deutsche Regionen ohne lästige Zollschranken verkaufen zu können.

Eine notwendige Standortvoraussetzung für ein aus Wäscherei und Kämmerei bestehendes Wollunternehmen war eine ausreichende Versorgung mit dem reichlich benötigten Waschwasser, das anschießend entsorgt werden musste. Diese Voraussetzungen waren durch das vorhandene Grundwasser, das sich in Blumenthal durch entsprechende Brunnen gewinnen ließ, die Weser erfüllt. So bot sich damals der Fluss als Entsorgungslösung für das mehr der weniger gut geklärte Abwasser an, da in jener Zeit der Umweltschutz gegenüber Themen wie Arbeitsplätze und Gewinne bestenfalls eine Nebenrolle spielte. So war es bei der BWK vor allem ein Thema für die Literatur, da Blumenthals bekannte Schriftstellerin Tami Oelfken durchaus auf tote Fische in der Weser hinwies. Es dauerte aber dennoch fast einhundert Jahre, bevor die Reinigung des Waschwassers vom Management als wichtige Unternehmensaufgabe in Angriff genommen wurde.

Ein nicht so deutlich in der Öffentlichkeit angesprochenes Thema war auch die politische Bedeutung der Arbeitskräfte in den neuen Industrien, die von Bremer Kaufleuten im Raum Bremen gegründet wurden Dabei fällt auf, dass gerade für arbeitsintensive Bereiche wie die Jute- und Wollverarbeitung Standorte in Blumenthal, Delmenhorsst und Hemelingen gewählt wurden, die außerhalb der Grenzen Bremens lagen (Ellerkamp). De Beschäftigten, die damals wegen der begrenzten Mobilität, kaum große Strecken als Pendler zurücklegen konnten, wohnen daher außerhalb der Grenzen der Hansestadt und konnten daher dort nicht wählen. Die gewählten Standorte sicherten somit die relativ labilen bestehenden parteipolitischen Verhälntnsse Bremens ab, wo sich die herrschende Kaufmannschaft und andere Teile des Bürgertums auf ein verständlicherweise sehr umstrittenes Acht-Klassen-Wahlrecht stützten

Ein ganz harte Argument stellte schließlich der Preis der Immobilie dar. Da die Gründer anders als zuvor in Lesum bei ihrer Planung offenbar an eine Art großflächiger Fabrikstadt dachten, wie sie auch ihr Bremer Konkurrent, der Wollhändler und -produzent Christian Lahusen, in Delmenhorst plante, waren die Quadratmeterspreise nicht ganz unwesentlich. Und hier sprach der Preis für einen Standort außerhalb Bremens, da die Bodenpreie mit der Entfernung von einem Zentrum sinken. So konnte man in Blumenthal eine Fläche von der Größe des Vatikans, wie immer weder gern berichtet wird, zu einem Schnäppchenpreis erwerben, denn noch 1899 stand das Grundstück mit nur 
302.000 Mark in den Büchern, also mit weiger als einer Mark pro qm. Das war 1882 der Preis von 20 Eiern oder einem halbes kg Butter.

 
Die technischen Voraussetzungen

In einer integrierten Wollkämmerei und - wäscherei, wie sie das Bremer Konsortium in Blumenthal errichten wollte, ersetzen Maschinen drei Tätigkeiten, die zuvor handwerklich auf den Bauernhöfen mit Schafzucht oder von speziellen Handwerkern in Heimarbeit erledigt wurden. Man unterscheidet dabei das Waschen der Rohwolle, um sie vor allem von löslichen Verunreinigungen wie dem Wollfett sowie dem Schweiß und Urin der Tiere zu befreien, und das Kardieren, bei dem man feste Pflanzenreste wie Samen und Dornen aus der Wolle "bürstet" sowie eine erste einheitliche Ausrichtung der Wollfasern erreicht. Als dritte und letzte Tätigkeit schließt sich das Kämmen an, wodurch eine weitere Verbesserung der Ausrichtung der Fasern erfolgt, sodass sich schließlich kurze und lange Fasern, die als Kämmlinge (engl. noil) bzw. Kammzüge (engl. top) bezeichnet werden, trennen lassen. 

Um ähnlich wie beim Spinnen und Weben die Handarbeit durch Maschinen ausführen zu lassen, haben sich zahlreiche Tüftler in England sowie anderen Ländern mit einem größeren Wollsektor wie Belgien und Frankreich um eine maschinelle Verarbeitung der Rohwolle bemüht. Dabei erwiesen sich die Probleme bei den drei angesprochenen Tätigkeiten als unterschiedlich groß. Das lässt sich nicht zuletzt an der Zahl der Jahre ablesen, die erforderlich war, um eine erste erfolgreiche Lösung zu finden.


Der Anfang der maschinellen Wollveredelung: das Kardieren


Durch die Erfindung der Waterframe genannten Spinnmaschine im Jahr 1769 konnten erstmals Spinnräder unabhängig von Menschenkraft durch ein Wasserrad angetrieben werden. Auf diese Eigenschaft weist bereits das Kunstwort "waterframe" hin, das aus den englischen Wörtern "water" für Wasser und "frame" für Gestell oder Rahmen gebildet ist. Hinzu kam bei dieser Maschine noch eine automatische Zufuhr der Fasern, was die Garnproduktion erheblich beschleunigte. 


Diese erfolgreiche Idee hatte der englische Perückenmacher Richard Arkwright, der dadurch zu einem bekannten Erfinder und Industriellen wurde, da er selbst seine "Waterframe" in der von ihm gegründeten ersten industriellen Baumwollspinnerei der Welt nutzte. 

Das erhöhte Tempo beim Spinnen machte die vorgelagerten Bearbeitungsstufen der Wolle zu einem Engpass bei der Herstellung von Garnen und Stoffen. Um hier für Abhilfe zu sorgen, beschäftigte sich Richard Arkwright auch intensiv mit dem Kardieren der Wolle. Im Ergebnis erhielt er im Jahr 1775 ein Patent auf eine Karde. Neu an dieser Karde war, dass sie erstmals mit Stäben und Häkchen anstelle von Häkchenwalzen funktionierte. Zudem wurde das Vlies kontinuierlich und automatisch von der Walze abgenommen.

Auch seiner weiteren Erfindungen, also die „Streckbank“ und die "Strecke" bescheluiten die Wollveredlung, da diese Maschine mehrere Kardenbänder zusammenfassen, strecken und parallelisieren konnten, sodass sie sich leichter spinnen ließen.


Die große Herausforderung für alle Erfinder und Tüftler: der Kammstuhl



Einen besonderen Einsatz erforderte hingegen die Entwicklung eines verwertbaren Kammstuhls. Dabei besitzt diese Tätigkeit im Rahmen der Wollveredlung von ihrem Umfang her ein besonders großes Gewicht. So hatte sich, um diese Handarbeit auszuführen, in den Wollzentren ein eigener Berufsstand der Kämmler oder Wollkämmer (wool comber) herausgebildet. Ein Beispiel hierfür ist die Region um Bradford in der englischen Grafschaft Yorkshire, die sich um 1850 zu einer Industriestadt mit 100.000 Einwohnern entwickelt hatte und als "internationales Zentrum der Kammzugherstellung und des Kammzughandels" galt. (Koditschek) Bradford war daher auch eine Hochburg von Vorläufern der Gewerkschaften und von Bürgerrechtsinitiativen wie den Chartisten.

Die Wolle wurde damals trotz aller Suche und auch erteilten Patenten für maschinelle Lösung vollständig mit der Hand gekämmt. Dabei erhitzte man die Kämme, die aus einer Reihe von Stahlzähnen (engl. broitches) bestanden, in einem Kessel (engl. chauldron) durch heiße Kohlen, um das Wollfett in der kaum oder gar nicht gewaschenen Rohwolle zu verflüssigen. Die dabei verräucherten kleinen Werkstätten der Handwerker führten zu gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen und zu einer weit unterdurchschnittlichen Lebenserwartung der Kämmler. Mit den erhitzten Kämmen wurde die Wolle dann zu einem langen Band (engl. sliver) gekämmt. 

Da der Lohn für diese Arbeit für die Kämmler und ihre Familien, bei der sie durchschnittlich 28 lbs Wolle pro Tag verarbeiten konnten, allein nicht zum Leben ausreichte, bestellten sie noch einige zehntausend Quadratmeter Garten- oder Ackerland, um auf diese Weise ihr geringes Einkommen aufzubessern.
  
Damit unterschieden sich die Tätigkeiten der Kämmler zur Zeit der industriellen Revolution kaum von denen vier Jahrhunderte zuvor, wie ein zeitgenssscher Stich zeigt. Im 15. Jahrhundert kämmte man danach die Wolle mit einem stationären Kamm auf einem Gestell, während ein Ersatzkamm zum Wärmen auf einem Gluttopf in einer Kiste lag und die fertigen Kammzüge in einem Korb gesammelt wurden. 



                                   Kämmler bei der Arbeit (1442) (Quelle: wikipedia)


Nach dem Kardieren wollte der Pfarrer und Erfinder Edmond Cartwright
das zeitaufwendige und daher teure Kämmen mechanisieren und entwickelte daher zwischen 1790 und 1792 eine Wollkämmmaschine, d
ie er "Big Ben" nannte. Offenbar sah er seine Erfindung als einen großen technologischen Durchbruch an, da der Name her an die so erfolgreiche Spinnmaschine "Spinnig Jenny" erinnerte, aber auch an den weltbekannten Uhrturm des britischen Parlamentsgebäudes in London. Ein tatsächlicher wirtschaftlicher Einsatz und damit Erfolg blieb jedoch aus.

Erst etwa fünfzig Jahre später haben mehrer Innovatoren sich mit dem Problem eines mechanischen Kämmens von Wolle intensiv und erfolgreicher beschäftigt. Davon sind vor allem fünf Erfinder namentlich bekannt, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Patenten für Kammstühle erworben haben, die nach abweichenden, aber auch ähnlichen Prinzipien arbeiten, sodass eine Reihe von Patentstreitigkeiten vorprogrammiert war.

Wegen dieser mehrjährigen Arbeit an einem gemeinsamen Problem mit einer Vielzahl von Teilschritten lässt sich praktisch nicht sagen, wer wann "den" Kammstuhl erfunden hat.

Auch wenn seine eigentliche "Erfindung" relativ spät datiert wird, soll der später geadelte Sir Isaac Holden einen einen ersten Kammstuhl bereits sehr früh gebaut haben, der sich besonders für mittlere Wollqualitäten eignet. Der grundlegende Einfall soll Holden gekommen sein, als er seine Tochter beim Kämmen beobachtete und feststellte, wie sie den Kamm benutzte. Dabei verwendete sie einen Kamm mit einer unterschiedlichen Dichte von Zähnen. Beim Kämmen zog sie zunächst die Seite des Kammes mit den größeren Zwischenräumen zwischen den Zähnen vom Kopf aus durch ihr langes Haar, wodurch grobe Verschmutzungen beseitigt wurden und eine einheitliche Ausrichtung der Haare erfolgte. Anschließend benutzte sie die Seite mit den eng gesetzten Zinken für die Feinarbeit. (S. 51)

Ähnlich früh auf das Jahr 1846 wird der Kammstuhl  von Joshua Heilmann, der auch als Erfinder der ersten Handstrickmaschine gilt, aus dem heutigen Mulhouse (dt. Mülhausen) im Elsass datiert, der sich durch seine geringe Größe von der Konkurrenz abhebt. (S. 54). Bereits seit 1838 soll sich der begabte Techniker intensiv mit der Entwicklung beschäftigt haben.

Später wurde seine Erfindung vor allem durch die Elsässische Maschinen-Baugesellschaft in Mülhausen weiterentwickelt und gebaut, sodass die Kämmereien auf dem Kontinent häufig mit diesem Kammstuhltyp ihre Kammzüge herstellten (Meyer). Das gilt vor allem für eine Weiterentwicklung zum sogenannten Französischen Kammstuhl (French comb), der von der Firma N. Schlumberger & Cie in Guebwiller gebaut wurde, die auch heute als NSC Group Produktionslinien und Maschinen zum Kardieren und Kämmen herstellt.


Ein paar Jahre später machte 1849 Samuel Cunliffe Lister sein Modell eines Kammstuhls der Öffentlichkeit bekannt, der vor allem für lange englische Wollen benutzt wird. Ein Charakeristika des Lister-Kammstuhls sind eine Nadelstabstrecke (gill box) und die Tendenz, mehr Kammzüge und weniger Kämmlinge zu produzieren.

1853 folgte der Kammstuhl von James Noble, nachdem er sein erstes Patent schon 1802 erhalten hatte und das folgende halbe Jahrhundert an der Weiterentwicklung gearbeitet hatte. (S. 40). "Für lange, grobe Wollen stehen im Gegensatz zu den Flachkämmern mit Kammwalze die Rundkämmer mit Kammring in Anwendung und sind die bekanntesten Maschinen dieser Art diejenigen von Hoden, Lister und Nobel." (Meyer, S. 27)

Die Kammstühle von Lister und Noble, sogenannte Rundkammstühle mit einem Kammring, die sich "für lange, grobe Wollen" eignen (Meyer, S. 27) sind hauptsächlich in England verbreitet. Dabei wurde der Lister-Kammstuhl besonders häufig in Kämmereien eingesetzt, da er mechanisch einfach konstruiert ist, verschiedenen Wollqualitäten angepasst werden kann und besonders störungsfrei arbeitet.

Andere Vorteile bieten die Flachkämmer mit Kammwalzen wie der Französische Kammstuhl, da sie weniger Stellfläche und Antriebsenergie benötigen (NPCS, S. 125)

Abweichend von vielen anderen Erfindern und Tüftlern hatten Lister und vor allem Holden ein Gespür für die wirtschaftliche Nutzung ihrer Kammstühle. Zwar stritten sie sich um die Urheberschaft von Details der nach ihnen benannten Maschinen. Doch hielt sie das nicht davon ab, gemeinsam ein Vielzahl von Patenten für Kammstühle aufzukaufen und eigene Firmen in England und Frankreich zu gründen, die in den 1870-er Jahren die größten Wollkämmereien der Welt wurden. Für Koditschek haben so mindestens fünf Erfinder viel Zeit und Geld in die Erfindung und Weiterentwickung von Kammstühlen investiert, aber nur zwei davon tatsächlich profitiert.


Der Untergang des Handwerks der Kämmler
  

Aufgrund der größeren Nachfrage nach Wollkleidung, als aufgrund der mechanischen Spinnereien und Webereien der Preis für Wolltextilien gesunken war und auch immer mehr preiswerte Rohwolle aus Übersee nach England und auf den Kontinent gelangte, erreichte die handwerkliche Wollkämmerei in Form von Heimarbeit erst 1851 einen Produktionshöhepunkt, als ihre "Totengräber", die mechanischen Kammstühle bereits erfunden waren. 

In diesen Jahren stellten die Kämmerer einen wichtigen Teil der Bevölkerung von Bradford und den Nachbarorten, die sich in einer frühen Gewerkschaft, der "Union Association of Woolcombers and Stuff Weavers", (Peacock, S. 4) zusammenschlossen, und 1825 einen Streik organisierten, an dem sich 20.000 Wollkämmer und einige Weber beteiligten.

In Bradford selbst wurde der Namenstag des Schutzpatron der Kämmler, Sankt Blasius, als großes Volksfest begangen, was einen Eindruck von dem Gewicht dieser Berufsgruppe in der Wollregion Yorkshire vermittelt. Anlass dieses Fests am 3. Februar war nach der Heiligenlegende ein Martyrium, das der Bischof durch Stiche mit einem eisernen Wollkamm erlitt. Später glaubte man dann, dass Blasius den Wollkamm erfunden habe, was ihn zum Schutzpatron der Kämmler prädestinierte, die sich allerdings aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen auch an das Leiden des Bischofs erinnert haben können. 


Diese Massierung der Berufsgruppe innerhalb einer Region begünstigte den Kampf gegen die Umwandung der Handwerksarbeit, die solange von einer Maschinisierung verschont geblieben war, in die Kämmereiindustrie. Dabei ging es schließlich um die Existenz von etwa 99 % der handwerklichen Kämmler; denn eine Frau konnte einen mechanischen Kammstuhl bedienen, der die gleiche Menge an Rohwolle kämmen konnte wie einhundert erfahrene Wollkämmer.

Vor diesem Hintergrund scheint die Krise der industriellen europäischen Wollkämmereien am Ende des 20. Jahrhundert, in der 2009 die Schließung der BWK in Blumenthal erfolgte, als industrielle Arbeitsplätze von Deutschland nach China verlagert wurden, als ein vergleichbarer zweiter tiefer Einschnitt innerhalb der Geschichte des Wollkämmens.

Während bereits in den 1840-er Jahren eine Reihe verschiedener Kammstühle erfunden und in der Bearbeitung von Rohwolle eingesetzt worden waren, brachte erst der 1853 von James Noble erfundene und auf seinen Namen patentierte Kammstuhl den Durchbruch in England und damit den Todesstoß für die lange Handwerkstradition der Wollkämmler. Dieser Innovationsprozess hat in England etwa fünfundzwanzig Jahre von 1848 bis 1860 gedauert, sodass seitdem das Handwerk des Kämmens dort nur noch in Museen oder für den Eigenbedarf ausgeübt wird. Den Beruf und das Handwerk des Wollkämmers gibt es seitdem weder in Bradford noch in anderen Teilen Englands.
  

Vom Bad für die Schafe zum Leviathan

Wolle wurde über Jahrtausende hinweg wie andere Wäsche gewaschen, wobei sich die Schafzüchter diese Arbeit häufig dadurch erleichterten, dass sie ihre Herde vor der Schur durch einen kleinen Fluss trieben, um so schon einmal durch diese Vorwäsche den gröbsten Schmutz zu beseitigen. Danach kamen dann Waschbretter oder Tröge zum Einsatz. Auch heute setzen Kunsthandwerkerinnen, die mit Wolle arbeiten und ihren Werkstoff selbst von eigenen Schafen gewinnen, auf gängige Haushaltswaschmaschinen ein.

Die schließlich gefundene maschinelle Lösung besitzt nur eine prinzipielle Ähnlichkeit mit dem Waschen in einer Waschmaschine, da der gesamte Prozess in verschiedene Phasen zerlegt wird. Der Unterschied liegt darin, dass bei der Rohwolle diese Teilschritte in verschiedenen Kübeln erfolgen, also nicht in derselben Trommel mit abweichenden Programmen beispielsweise für eine Vor- oder Hauptwäsche.

Die erste praktisch eingesetzte Wollwaschmaschine hat in der belgischen Wollstadt Verviers der Mechaniker Eugene Mélen gebaut. Seine Grundgedanken blieben in diesem Bereich jahrzehntelang maßgebend, wurden jedoch auch weiterentwickelt.

Die typischen Merkmale seiner Waschmaschine, wie sie Mélen selbst gesehen hat, lassen sich vermutlich aus dem Namen "Leviathan" erschließen, den er seiner Erfindung gegeben hat. Das mythologische Wesen Levithan, das vor allem durch die Bibel bekannt ist, wo es das Buch Hiob 40,25 – 41,26 näher beschreibt, wird als eine Kreuzung verschiedener Tiere wie einem Krokodil, einem Drachen, einer Schlange und einem Wal geschildert.

Die einzelnen Tiere sind bei dieser Kombination "selbsttätiger" (Grothe, S. 91) Waschmaschinen die einzelnen aufeinanderfolgenden Rechteckbehälter oder Kübel, die die Wolle im Verlauf der Waschprozesses durchlaufen muss. Hierin erfolgen verschiedene Bäder, so zunächst ein Einweichen, auf das ein Scheuern und ein Entfetten mit einem durch Seife und Soda alkalisches Warmwasser folgen. 


Für den Transport der Wolle, durch die die Wollwäsche erst zu einem automatisierten Prozess wird, sorgen Harken, die die Rohwolle von hinten nach vorne. Bei den Vorläufermodellen mussten noch Menschen diese Knochenarbeit leisten, indem sie die schwere nasse Wolle von einem Kübel in den folgenden zu heben hatten.

Während des Waschens wird das schmutzige Wasser ständig ersetzt. Dabei reduziert die Maschine den Wasserverbrauch, indem sie bereits gebrauchtes Wasser aus hinteren Kübeln für die Vorwäsche verwendet. Um möglichst gute Waschergebnisse zu erreichen, werden diese Pozesse auch wiederholt.

Zu Problemen können die Reparaturanfälligkeit des gesamten komplexen Maschinensystem, Verletzungsgefahren für das Bedienungspersonal und die Neigung der Wolle führen, bei dem warmen oder sogar heißen Wasser, das für die Lösung von Schmutz und Fett erforderlich ist, zu verfilzen. Um das zu vermeiden, wurde warmes Seifenwasser von bis zu 58 Grad C verwendet, das im Leiathan ständig erhitzt wurde, damit die Temperatur nicht absank.
  


                        Leviathan (Quelle: Meyers Konversationslexikon von 1905)



Mit dem Waschen wird häufig ein Karbonieren (carbonated wool) verbunden, wobei durch ein Anreichern mit Kohlenstoff organische Substanzen in Kohlenstoff oder Karbonate umgewandelt werden.

Erfindungen und Entwicklungen auf dem Weg zur industriellen Wollkämmerei


Jahr
Erfindung
1764
Mechanische Spinnmaschine (Spinning Jenny) durch James Hargreaves
1775
Karde, Streckbank und Strecke durch Arkwright
1785
Mechanischer Webstuhl durch Edmond Cartwright
1845 Kammstuhl von Joshua Heilmann in Mülhausen im Elsass
1849
Kammstuhl von S.C. Lister,
Erwerb vorhandene Kammstuhlpatente und Bau von Kämmereien in Frankreich, die um 1870 12 Mio. kg Kammzüge jährlich produzieren, durch Lister und Hoden
1853 Kammstuhl von James Nobel
1856 Kammstuhl von Isaac Holden
1863
Wollwaschmaschine „Leviathan“ durch Eugene Mélen in Verviers (Belgien)



Wie auch in anderen Wirtschaftssektoren ging diese beginnende industrielle Entwicklung der Veredlung von Rohwolle zunächst an Deutschland vorbei. So entstanden die ersten eigenständigen Kämmereien wie die der Kammstuhlerfinder Holden und Lister zunächst in England und Frankreich. Die deutschen Spinnereien mussten daher ihre Vorprodukte, die Kammzüge importieren oder selbst herstellen. 

Das änderte sich erst im Zuge der Gründerjahre nach dem deutsch-französischen Krieg 1870-71, als innerhalb kurzer Zeit die ersten deutschen Wollkämmereien entstanden. Den Anfang machten 1872 die Leipziger Wollkämmerei und -wäscherei sowie die Wollkämmerei in Döhren bei Hannover. In beiden Fällen wurden Standorte gewählt, die Vorteile aufgrund ihrer verkehrsgünstigen Lage innerhalb des deutschen Eisenbahnsystems sowie der Nähe und guten Erreichbarkeit von bestehenden Zentren der Wollverarbeitung boten. 

Die in Fachkreisen sehr beachtete Leipziger Wollausstellung von 1880 löste einen zweiten Gründungsschub aus, bei dem zwei ganz unterschiedliche Typn von Standorten gewählt wurden. Zunächst folgte 1882 die Wollkämmerei in Mylau (Vogtland), also innerhalb einer klassischen Wollregion mit bestehenden Wollspinnereien und -webereien, die als Tochterfirma des
Bankhauses Brückner unter "Mylauer Wollkämmerei Georgie & Co." firmierte.

1883/84 bzw. 1884 gründeten dann Bremer Wollhändler die Bremer Woll-Kämmerei in Blumenthal und 1884 die Norddeutsche Wollkämmerei in Delmenhorst" 
(Schöß). Damit konnten diese zeitlich zuletzt entstandenen Kämmereien auf den deutlich veränderten globalen Weltmarkt reagieren, durch den Deutschland zu einer einer Volkswirtschaft mit steigenden Wollimporten über die Bremer Häfen wurden. 



Das Geschäftsmodell der BWK: das Management von Wollpreisvolatilität

Eine große Wollkämmerei, wie sie die Mitglieder des Blumenthaler Konsortiums vor Augen hatten, wenn man an die immense Fläche des Betriebsgrundstücks denkt, benötigt nicht nur einen geeigneten Standort und möglichst problemlos arbeitende Maschinen zum Waschen, Kardieren und Kämmen von Rohwolle. Zumindest ebenso wichtig war es vor dem Hintergrund der anfallenden großen Mengen von Rohwolle und Kammzügen, eine organisatorische Lösung für das Problem der sehr volatilen Wollpreise zu finden.

Während sich andere Preise eher langfristig bewegen und in der Regel im Zuge einer wachsenden Weltbevölkerung eine generell steigende Tendenz aufweisen, gilt das nur sehr bedingt für die Wollpreise. Zwar wächst auch der Bedarf an Textilien mit der Zahl der Konsumenten, aber dieser langfristige Trend wird von ganz erheblichen Schwankungen teilweise bis zur Unkenntlichkeit überlagert. Dabei spielen für die Lagerhaltung und die Beschäftigung einer Wollkämmerei zwei kurz- und mittelfristige Phasen eine wichtige Rolle.

Ähnlich wie etwa bei anderen Konsumgüterindustrie und in Teilen des Handels treten deutliche saisonale Schwankungen auf, die bezogen auf die Kämmereikapazität von einer Vollauslastung bis zum teilweisen Stillstand mit Kurzarbeit und Entlassungen führen können. Der entscheidende Grund hiefür ist jedoch nicht das Käuferverhalten, indem man sich Wollkleidung etwa überwiegend zu Weihnachten leistet und schenkt, wie das etwa für die Süßwarenherstellung und den Buchhandel mit einem ausgeprägten Weihnachtsgeschäft gilt. Ursache ist vielmehr die Schafschur, und zwar aufgrund des Gewichts der australischen Merinos für den globalen Wollhandel der Termin auf der Südhalbkugel der Erde. 

In der Regel wurde die nach der Schur verkaufte Rohwolle gleich nach ihrer Anlandung bei der Wollkämmerei in Europa verarbeitet, um die Lagerzeiten und damit die Kapitalbindung mit ihren Zinskosten zu minimieren. Das führte dann zu wenig oder sogar gar nicht ausgelasteten Kapazitäten vor dem Beginn der nächsten Schur. Für die BWK brachte das "normalerweise" von Dezember bis Juni/ Juli Hochkonjunktur, "während im Spätsommer und Herbst regelmäßig Flaute herrschte. (Ellerkamp, S. 37) 

In den ersten Jahren nach der Gründung kam dieser saisonale Effekt sogar den polnischen Mitarbeitern aus den östlichen Provinzen Preußens entgegen, die zur Sommerernte und zur Winterbestellung in die Provinz Posen zurückkehrten. Diese Form einer saisonalen Doppelbeschäftigung im Westen und Osten Preußens hatte für das Unternehmen damit gleich zwei Vorteile. Zum einen konnte durch diese Anwerbung polnisch sprechender Migranten der akute Mangel an Arbeitskräften beseitigt werden, da es im Raum Blumenthal nicht genug Einwohner gab, die überhaupt an den ihnen fremden industriellen Tätigkeit interessiert waren. Zum anderen erledigte sich das Problem einer vom Management aus Kostengründen für erforderlich gehaltenen saisonalen Beschäftigung praktisch von selbst, da sie den Wünschen eines großen Teils der Betroffenen entsprach.

Daher war die BWK im Bremer Norden die "Initiatorin der systematischen Heranziehung ausländischer Arbeitskräfte." (Ellerkamp, S. 38) Dabei konzentrierte sich das Unternehmen vor allem auf den Kreis Adelnau, in dem 90% der Einwohner Polen waren und der durch den Wiener Kongress seit Mai 1815 an Preußen gekommen war. Diese Werbemaßnahmen waren so intensiv und erfolgreich, dass sich "wenige Jahre nach Produktionsbeginn .. die Belegschaft zu über 50 % aus Polen" zusammensetzte. (Ebenda). Dazu trug nicht zuletzt eine "Sogwirkung" bei, da den Unverheirateten zu Beginn der Anwerbung später "ganze Familien" folgten. (Ebenda). 

Ebenfalls typisch für den Wollmarkt sind kurze Zyklen von vielleicht drei Jahren, die sowohl durch die produzierte Wollmenge, die von den klimatischen Verhältnissen in den Produzentenländern ausgelöst werden und sich auf die Preise für Rohwolle und damit auch für Wollgarne und -stoffe auswirken, als auch durch die konjunkturell bedingten Einkommensschwankungen der Konsumenten und last but not least durch die jeweiligen Mode. Eine Dürre in Australien, niedrige Wollpreise, die Farmer dazu veranlassen, statt Schafen Rinder zu züchten, oder eine Mode, die stark auf Baumwolle oder eine ökologisch unbedenklichen Zellstofffaser setzt, bestimmen so die Menge der weltweit vorhandene Rohwolle und der nachgefragten Kammzüge. 

Bei einem unveränderten Stand der Automatisierung der Produktion werden damit auch unterschiedlich viele Mitarbeiter in einer Kämmerei benötigt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Faktoren zu relativ kurzfristigen Preisschwankungen von etwa drei Jahren führen. Innerhalb dieses Zeitraums ändert sich damit die Auslastung der vorhandenen Kämmereikapazität deutlich und daher auch der Zahl der benötigten Mitarbeiter. 

Wenn eine Kämmerei während der Zeiten hoher Nachfrage keine Kunden verlieren will, muss sie daher eine Produktionskapazität vorhalten, die sich an den Spitzenwerten orientiert. Das gilt zumindest für die Maschinen und Anlagen, die sich in derart kurzen Zeiträumen weder kurz vor einem plötzlich eintretenden Boom kaufen und installieren noch in der folgenden Rezession ohne herbe Verluste verkaufen lassen. Prinzipiell variabler muss dem Management daher die Zahl der Mitarbeiter erscheinen.

Beide Effekte stellen die Kämmerei, wenn sie keine Mitarbeiter bezahlen will, für die sie zeitweise keine Arbeit hat, aber in wenigen Monaten wieder benötigt, vor eine schwierige Aufgabe. Man muss dafür sorgen, dass die Beschäftigten sich wie eine kostengünstige Manövriermasse behandeln lassen, was vermutlich nur gelingt, wenn sie entsprechende Kompensationen erhalten. 

Dafür hat die BWK durch eine Reihe von Maßnahmen gesorgt, die zu einer engen Betriebsbindung beigetragen haben, sodass Arbeitskräfte immer wieder dann zur Verfügung standen, wenn sie gebraucht wurden. Die BWK musste daher, um die Schwankungen in der Beschäftigung auszugleichen, für ein Einnahmen bei ihren Mitarbeitern sorgen, die als Kombination von Löhnen und Arbeitslosen- bzw. Kurzarbeiterunterstützungen für ein Gesamteinkommen sorgten, das nicht zu großen Abwanderungen zu anderen Arbeitgebern führte. Das galt im Bremer Norden etwa für die auf dem Arbeitsmarkt konkurrierenden Werften und den Maschinenbau, die keine ähnlichen saisonalen und anderen kurzfristigen Beschäftigungszyklen kannten.

Zusätzlich zur Lohnhöhe hat die BWK während ihres Bestehens durch eine Reihe von Sozialleitungen und vor allem durch Prämien und Ehrungen für langjährige Mitarbeiter eine enge Bildung an das Unternehmen angestrebt, wie es praktisch von keinem anderen Betrieb im Bremer Norden berichtet wird.

Für einen ähnlichen Effekt dürfte auch der Bau von Eigenheimen mit größeren Gärten geleistet haben, der eine Kleintierhaltung und teilweise Selbstversorgung ermöglichte. Ähnlich wie bei den handwerklichen Wollkämmern im Raum Bradford ließen sich mit Kartoffeln und Gemüse aus einem eigenen Garten und dank eines Schweins solche Notzeiten einigermaßen überbrücken.

Die Preis- und Mengenvolatilität der Wolle traf allerdings nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Eigentümer der BWK, da sich das in die Maschinen und Anlagen investierte Geld nicht rentierte, wenn die Produktion nur auf Sparflamme oder gar nicht lief. Vielmehr konnten sogar gleichzeitig erhebliche Verluste eintreten, falls teuer eingekaufte Rohwolle oder aus ihr produzierte Kammzüge im Wert abgeschrieben werden mussten, weil der Preis auf dem Wollmarkt zu einem Bilanzstichtag gefallen war. 

Die Mitglieder des Gründungskonsortiums wollten daher im Prinzip ihre Wollkämmerei nur als Dienstleister für andere einsetzen, die selbst die Rohwolle kauften, der BWK dann zur Veredlung übergaben und anschließend die Kammzüge und Kämmlinge weiterverkauften oder in ihren Spinnereien verarbeiteten. Auf diese Weise wäre die BWK kein Eigentümer der Rohwolle und der Kammzüge geworden und diese volatilen Posten würden in ihrer Bilanz nicht auftauchen. Die BWK hätte also kein direktes Risiko bei den Wollpreisen übernommen, sondern wäre nur von den indirekten Preiseffekten auf die bearbeitete Wollmenge betroffen gewesen.

Dieses Geschäftsmodell funktionierte allerdings nur bedingt, und zwar aus zwei Gründen.

Zum einen stellte sich heraus, dass dieses Auftragsgeschäft nicht die gesamte Kapazität der BWK übers Jahr hin auslastete und zudem im Zeitablauf eher zurückging. Vor allem konzentrierten sich diese Aufträge auf die Monate kurz nach der Schur, sodass diese Geschäfte extrem saisonal verliefen. Wenn die BWK den saisonalen Effekt reduzieren wollte, um eine gleichmäßigere Kapazitätsauslastung und Beschäftigung zu erreichen, war daher ein größeres ergänzendes Eigengeschäft für die schwachen Zeiten erforderlich.

Dabei versuchte das Unternehmen, wenn man seinen öffentlichen Erklärungen folgt, keine Spekulationsgeschäfte mit dem Wollpreis einzugehen. Die Wollpositionen, die im Rahmen des Eigengeschäfts als Vorräte gehalten werden mussten, wurden daher in der Regel per Termin ge- und verkauft.

Wie ein Blick auf längere Phasen der Wollpreisentwicklung zeigt, hat die BWK damit auf die Chancen eines insgesamt steigenden Wollpreises verzichtet. In vielen Perioden hätte man so etwa mit der Lagerung von Rohwolle oder von Kammzügen mehr Geld verdienen können als mit der Veredlungsarbeit.

Aber das galt nicht für jedes Jahr. Die großen Gefahren einer Wollspekulation sollten sich für die BWK bereits während der Wollkrise 1900 sehr eindringlich zeigen.



Die BWK als anfängliche Enklave in Blumenthal


In mancher Hinsicht erinnert die Gründung der Fabrikstadt BWK außerhalb der Grenzen Bremens an eine koloniale Enklave, in der Bremer Geld unter einem Bremer Management mit vor allem extern rekrutieren Mitarbeitern auf einem preiswert erworbenen Grundstück Kammzüge herstellten.

Die spätere enge Verbindung mit Blumenthal und seiner Entwicklung als Industriestadt brachte erst die Zeit. Es dauerte eben Jahre, bis sich die ursprünglich polnisch sprechenden Mitarbeiter als Blumenthaler sahen, Ehen zwischen den Bevölkerungsgruppen nach der Überwindung interkultureller und konfessionelle Hindernisse geschlossen wurden, wie sie beispielsweise im Roman "Maddo Clüver" geschildert werden, und sogar die Manager teilweise in Blumenthal wohnten, was das Gründungskonsortium zunächst per Satzung ausschließen wollte. Während daher zunächst die Bezeichnung "Bremer" Kämmerei, obwohl sie geografisch unzutreffend war, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse korrekt beschrieb, konnte man später von der Sache her von einer Blumenthaler Wollkämmerei sprechen. Allerdings hatte dann diese sprachliche Unterscheidung ihre Bedeutung verloren, nachdem Blumenthal 1939 ein Teil Bremen geworden war. 



(Der zweite Teil folgt hier)

Mittwoch, 26. August 2015

neu: BWK: Frauen



Die weiße Wand


Anmerkungen zur Ausstellung "Frauen auf der BWK"



Der Förderverein Kämmereimuseum hat mit seiner diesjährigen Fotoausstellung "Frauen auf der BWK" nicht nur alte Fotos aktuell präsentiert. Gleichzeitig hat er mit einem Teil der Ausstellungsfläche zum Nachdenken angeregt. Dort fehlten Bilder über das Arbeitsleben von Frauen auf der BWK. Auch sorgten keine anderen Informationen für Einblicke in die angekündigte "bebilderte Zeitreise über mehrere Jahrzehnte Frauenarbeit auf der BWK". Stattdessen wurde die Ausstellung durch eine leere, weiße Wand oder genauer eine leere Papierrolle unterbrochen, die so eindrucksvoll war, dass sie von den Journalisten in ihren Artikeln nicht unerwähnt blieb. 

Das geschah jedoch nicht ohne Grund; denn hier fehlte nicht der angekündigte Abstecher zu den Fotos eines stolzen Vaters, der, wie es die Ausstellungsmacher ausdrückten, "eine behütete Jugend zwischen BWK und Blumenthaler Aue" fotografisch festhielt.

Über die Bedeutung der leeren Papierrolle wird man nicht im Unklaren gelassen,w
enn es etwa heißt: "Und dann gibt es den Bereich Führungspositionen in der Ausstellung. Der ist allerdings nicht bebildert. Eine weiße leere Papierbahn drückt aus, wie es um Frauen in Führungspositionen auf der 2009 geschlossenen BWK bestellt war."

Vielmehr weist sich die Ausstellung an dieser Stelle als politisch sehr korrekt aus, da sie das aktuell diskutierte Thema von Frauen in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft aufgreift, wo einige Parteien und Medien Quoten für Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten großer Aktiengesellschaften fordern 
und durchgesetzt haben.

Davon wäre die BWK heute vermutlich auch betroffen, wenn sie als Kapitalgesellschaft mit einer gewissen Größe überlebt hätte.


Weiblicher und männlicher Blick auf "Wollmäuse"


Mit der gewählten Thematik "Frauen auf der BWK" hat sich der Förderverein
Kämmereimuseum unter dem Vorsitz von Detlef Gorn an ein Projekt gewagt, zu dem es nur wenige Informationen aus der Zeit der BWK gibt. Offenbar hat es das Unternehme selbst also nicht für besonders wichtig gehalten.

Bei dieser Informationstand ist man auf Quellen angewiesen, die man nicht ganz ohne Einschränkungen und Vorbehalte verwenden darf. Da ist zu einen der teilweise autobiografische Roman "Maddo Clüver" von Tami Oelfken, der mit belletristischen Mitteln die Ankunft und die erste Zeit der jungen Polinnen schildert, die von der BWK u.a. im damals preußische Westpreußen und Oberschlesien angeworben wurden.

Zum anderen sind es Berichte aus der Nordwolle in Delmenhorst, einer mit der BWK vom Alter und von der Größe her gut vergleichbaren Wollkämmerei, die abweichend von der BWK auch eine Spinnerei betrieb. 

In Delmenhorst entstand, nachdem die Produktion dort bis 1981 und damit erheblich früher als in Blumenthal nach und nach eingestellt wurde, bereits seit 1989 im Rahmen der Volkshochschule Delmenhorst ein Arbeitskreis "Fabrik wird Museum", der sowohl Vorschläge für das heutige Industriemuseum entwickelt hat als auch die Geschichte des Unternehmens und seiner Beschäftigten aufarbeiten konnte. Ergebnisse findet man in verschiedenen Flyern. 

Über die Arbeit der Frauen auf der Nordwolle berichtet besonders ausführlich die Ausgabe über die "Sortierung". Danach war diese Abteilung "ein bevorzugter Arbeitsplatz"; denn das Sortieren der Rohwolle erfolgte in einem "hellen, geheizten Raum ohne Maschinenlärm". Deswegen war die Sortierung "ein begehrter Arbeitsplatz für Frauen".

Für ihre Tätigkeit musste die Wollsortiererin, wie es im heutigen Museumsflyer heißt, "ein geübtes Auge und Fingerspitzengefühl haben, um die unterschiedlichen Feinheiten und Stärken der Haare herauszufühlen". Um mit den unterschiedlichen Wollklassen vertraut zu werden, betrug die übliche Anlernzeit anderthalb Jahre. Der anschließende Verdienst lag dann "deutlich" über dem der Maschinenarbeiterinnen. Zudem gab es in der Sortierung keine Akkordarbeit, "denn die Qualität hatte Vorrang vor der Quantität." 

Die Frauen in der Wollsortierung hatten nach dieser Beschreibung also vor allem bedingt durch ihre Aufgaben vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen. Dazu gehörte es auch, dass sie sich während der Arbeit unterhalten konnten, da auf dem Sortierboden keine lärmenden Maschinen liefen. Zudem bestand eine gewisse Sicherheit des Arbeitsplatzes, da sich eingearbeitete Sortiererinnen nicht leicht ersetzen ließen.

Einen ähnlich positiven Eindruck vermittelte auch einer der Museumsführer, wenn er ergänzend berichtete, dass man die ledigen Mädchen "scherzhaft "Wollmäuse" genannt habe. Auch bestätigt er eine ehe fröhliche Arbeitsatmosphäre in der Sortierung, da nach seinen Worten "alle Mädchen" in der Sortierung arbeiten wollten, "weil sie dort bei der Arbeit singen konnten". Damit unterschied sich diese Abteilung nur zu deutlich von den anderen Kämmereibereichen, wo "sich die Arbeiter gegenseitig in die Ohren brüllen" mussten, um das Stampfen und Rattern der Maschinen zu übertönen."
  
Allerdings hatten offenbar nicht alle MitarbeiterInnen der Nordwolle diesen eher positiven Blick auf das Arbeitsleben der Frauen in Delmenhorst. Eine Führung am Weltfrauentag des Jahres 2004, über die ausführlich in der Lokalpresse berichtete wurde, vermittelte jedenfalls ein anderes Bild von der Arbeit der Frauen. Das begann bereits beim Begriff der "Wollmäuse". So stellte eine Museumsführerin am Internationalen Frauentag 2003 das "harte Leben der "Wollmäuse"" (Becker) besonders heraus. Für sie handelte es sich bei der Bezeichnung "Wollmäuse" durch die männlichen Kollegen nicht um einen Scherz oder gar eine Form belangloser Anmache, sondern um eine "Beleidigung".   
  
Nach der Begründung drückte sich in der Bezeichnung zwar einerseits eine versteckte Anerkennung aus, "weil sie so schnell wie Mäuse waren", aber hinzu kam ein gleichzeitiger Angriff auf die Attraktivität der Frauen, "weil der Staub der Fabrikluft ihre Haut grau färbte".

Dieser besondere Blick am Frauentag betraf nicht nur Spannungen unter den Frauen und Männern in der Belegschaft, die mit besonders kritischen Augen beobachtet und interpretiert wurden. Hinzu kam eine Darstellung der sicherlich damals nicht gerade optimalen Arbeitsbedingungen, die den Ruf nach einem Achtstundentag zu einem wesentlichen Ziel der Arbeiterbewegung machten. Für die bereits zitierte Museumsführerin waren die Belastungen für die Frauen jedoch vergleichsweise noch schlechter als für ihre männlichen Kollegen. Nach ihrer Darstellung kamen die "Männer erst in den Betrieb", als es den Frauen verboten wurde, "Nachtschicht zu machen". 

Ähnlich exklusiv beschreibt die Führerin am Frauentag den weiblichen Arbeitstag bei der Nodwolle ab dem Jahr 1891: "Wecken um 3.30 Uhr morgens, um pünktlich in den elfstündigen Arbeitstag ohne Pause starten zu können. 72 Stunden Arbeit jede Woche, einen Tag Urlaub im Jahr..". 

Als besonders hart schildert sie die Arbeit in der Kämmerei, wo "jede Frau vier Maschinen bedienen" musste, was zu zahlreichen Verletzungen führte. 



Sortierung (Quelle: Förderverein Kämmereimuseum)




                                                                                                 





                                                  Kämmerei (Quelle: Sir Charles. Heft 47 (Förderverein Kämmereimuseum)



Diese sich teilweise widersprechenden und nicht in jedem Fall belegten Berichte machen deutlich, dass Frauen und Männer ihre Arbeitsverhältnisse sehr abweichend beschreiben können. Ein objektives Bild lässt sich daher nur schwer zeichnen. Das kann vielleicht noch für die Arbeitszeit und die Umweltbelastung innerhalb der Kämmerei durch Lärm und Gerüche gelingen, wird jedoch zu einem Problem, wenn es um den gemeinten Sinn eines Begriffs wie "Wollmäuse" geht.

Hier dürfte es vielen Zuhörern und Lesern schwerfallen, darin eine Beleidigung zu sehen. Und das scheint nicht nur für Männer zu gelten. Vermutlich ist es daher eine geschickte Lösung für eine Ausstellung, wenn man die Beantwortung von Fragen, die zwischen den Geschlechten strittig sind, jedem Einzelnen überlässt und nur durch ein weißes Blatt auf die offene Frage hinweist.



Frauenarbeit in der BWK 

Unter diesen Vorbehalten werden die Beispiele von der Nordwolle durch Informationen aus der Blumenthaler BWK bestätigt. Auch hier waren die Frauen zunächst vor allem in der Sortierung beschäftigt. Das gilt sogar noch für die beiden Mitarbeiterinnen, die dort sogar Ende der 1980-er Jahre weiterhin deutsche Wollen sortierten, als diese Arbeit sonst bereits ausschließlich in den Wollexportländern erfolgte.(Leohold, S. 57) Dabei war in diesem von Arbeiterinnen geprägten Betriebsbereich noch 1957 ein Fünftel der Belegschaft von 4.500 MitarbeiterInnen tätig. (ebenda)"

Allerdings stellten die Frauen auch während des Kaiserreichs, also in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, nicht die Mehrheit unter den Beschäftigten, wie das etwa bei der Bremer Jute der Fall war. Dazu fehlten die üblicherweise von Frauen besetzten Arbeitsplätze einer Spinnerei. Generell schwankte in den Gründerjahren der Frauenanteil um die 40 %, wobei der Wert vor dem Verbot der Frauennachtarbeit mit 42% - 50 % besonders hoch lag (Ellermann, S. 38)
Wie bei der Delmenhorster Nordwolle mussten die Sortiererinnen die Wollvliese oder -stücke ausbreiten und nach bis zu 12 verschiedenen Feinheiten in Körbe ordnen. Diese Arbeit erforderte daher ein gutes Auge und vor allem eine gewisse Flexibilität, aber auch Erfahrung. Daher benötigten die Mitarbeiterinnen auch eine längere Anlernzeit von 1 -2 Jahren. (ebenda)

Dies wiederum rechtfertigte eine relativ hohe Bezahlung, die aber auch daraus resultierte, dass die Sortierung so etwas wie das Bindeglied zu den Wollhändlern, den Eignern der auf der BWK behandelten Wolle, darstellte. (ebenda)

Ab den 1960-er Jahren änderte sich dann die Arbeit auf der Wollkämmerei mit erheblichen Auswirkungen auf die Frauenbeschäftigung. Mit der Schließung der Sortierung gingen etwa 20 % aller vor allem von Frauen besetzten Arbeitsplätze verloren. Dabei wurden ihre Tätigkeiten praktisch in die Wollexportländer verlagert, die dadurch die Wertschöpfung ihrer Rohwollindustrie steigern und Arbeitsplätze schaffen wollten.

Insgesamt ähnliche Auswirkungen waren für die Mitarbeiterinnen mit der Rationalisierung der Kammzugproduktion verbunden. Nachdem die BWK neue ebenerdige Produktionshallen errichtet hatte, in denen eine stark automatisierte Produktion erfolgte, erforderte die Bedienung dieser Anlagen andere Qualifikationen als die Arbeit an den älteren Maschinen. Dazu wurden neue Ausbildungsgänge erforderlich wie die des Energieanlagenelektonikers, die so gut wie keine weiblichen Auszubildende aufwiesen. Das belegen beispielhafte Berichte über neue Azubis in der Werkszeitung "Sir Charles" und der Lokalpresse. Danach befanden sich 1987 unter 17 Azubis zwei Frauen. Den großen Unterschied machten die Ausbildungsberufe aus, denn die männlichen Auszubildenden wollten ausschließlich technische Berufe erlernen, die weiblichen hingegen kaufmännische. In anderen Jahren sah das nicht wesentlich anders aus.

Aufgrund der Vorbildung war es für diese Mitarbeiter, schwer sich weiterzuqualifizieren und eine leitende Position einzunehmen. In diesem Bereich bestand ein kaum überwindbare Kluft zwischen Fabrikarbeitern, die die manuellen Tätigkeiten zu erledigen hatten, und den leitenden Angestellten, die in der Regel eine Hochschulausbildung absolviert hatten.

   
Mit der Tätigkeit und offenbar auch dem Geschlecht war bei der BWK eine unterschiedliche Bezahlung verbunden. Bereits vor dem Zweien Weltkrieg war die Bezahlung von Frauen und Männern ein heikles und strittiges Thema. Für die Mitarbeiterinnen gab es bei gleichen Tätigkeiten, wie berichtet wurde, in jener Zeit verdiente eine Frau pro Woche 14 Mark, ein Mann für dieselbe Arbeit hingegen 23 Mark, also über die Hälfte mehr. (S. 83) Diese Unterschiede bestanden auch in der Sortierung, wo die Tätigkeit der Frauen besonders geschätzt wurde. Hier wurde die höhere Bezahlung der "Vormänner", wie man die männlichen Arbeiter bezeichnete, durch eine größere Kraftanstrengung bei der Arbeit begründet, da die Männer die schweren Rohwollballen zunächst auspacken mussten.

Eine Benachteiligung bestand allerdings nicht nur bei der Lohnhöhe, sondern zudem noch bei der Sicherhheit des Arbeitsplatzes. Das zeigte sich in Krisenjahren wie 1900 und 1951, als die Nachfrage nach Kammzügen dramatisch einbrach. Damals wurden vorrangig die verheirateten Frauen als eine relativ unproblematische Manövriermasse auf dem Arbeitsmarkt behandelt, da man sie als „Doppelverdienerinnen“ ansah, die finanziell abgesichert waren. (S. 80f)

Aber die BWK tat auch durchaus etwas für ihre Mitarbeiterinnen, wenn auch in begrenztem Maße. Das galt etwa für Anke Gust, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung an einem Trainingsprogramm der Australian Wool Association teilnehmen konnte (Weser-Kurier vom 30.9.90), bei dem Einblick in die australische Wollproduktion durch Besuche bei Schafzüchtern und den Wollbörsen gegeben wurde.




Politische und betriebliche Stellung von Frauen in Deutschland


In den über einhundert Jahres Bestehens der BWK haben sich die politischen Rahmenbedingungen mehrfach grundlegend geändert. Das betraf nicht zuletzt den Wandel der weiblichen Rollenbildes. 

Für eine Einschätzung sollte man allerdings auch die politischen Rahmenbedingungen nicht übersehen, die sich zur Zeit der BWK-Gründung kaum mit den heutigen vergleichen lassen, denn in Bremen durften 1883 nicht nur die Frauen nicht wählen. Gleichzeitig bestand für die Männer ein Achtklassenwahlrecht. Dabei hatte eine Stimme eines Kaufmanns das Gewicht von 297 Arbeiterstimmen, wodurch die Herrschaft des männlichen Teils des Bürgertums über den Weg des Wahlrechts zementiert war.

Das änderte sich grundlegend, als der Erste Weltkrieg mit dem Steckrübenwinter  1916-7 und einer verbreiteten Unterernährung zu einer Streikwelle führte, die große Teile der Bevölkerung politisierte und nach "Brot und Frieden" rufen ließ. Das war nicht zuletzt eine Folge der 800.000 Menschen, die während des Krieges an Hunger und Unterernährung starben
 

Bereits am Ende des Kaiserreichs und als Folge des Erste Weltkriegs nahmen die Linke und die Rätebewegung in der Hafenstadt Bremen eine dominierende Stellung ein. Wie auch in anderen Hafenstädten wie in Kiel fand sie vor allem unter den Werftarbeitern und Marinesoldaten viele Anhänger. Ein typisches Ergebnis dieser Situation war die Bremer Räterepublik, die im Januar 1919 ausgerufen wurde und die soziale Lage in Bremen und Deutschland revolutionieren wollte. 

Den Anstoß zu dieser Bewegung gaben die Befürchtungen der Kieler Matrosen, die nicht kurz vor Kriegsende in einer sinnlosen Schlacht entsprechend dem Ehrenkodex der Offiziere geopfert zu werden wollten, wie es anscheinend von ihren Vorgesetzte geplant wurde.

Mit der Ausrufung der Republik in Berlin entstand dann keine deutsche Räterepublik, aber eine Demokratie mit einem gleichen Wahlrecht für alle Bürger. In der späteren Verfassung wurde zusätzlich ene Gleichheit von Männern und Frauen vor dem Gesetz bestimmt. "„Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ (Art. 109)

Im Zuge des verlorenen Krieges mit seinen katastrophalen Folgen für das Leben in Deutschland, durch den die Monarchie und die sie stützenden Schichten ihr Ansehen und ihre politische Macht einbüßt hatten, konnten daher erstmals in Deutschland Frauen wählen.

In Bremen erfolgte die erste Wahl mit Wählerinnen und Kandidatinnen am 10.2. 1919, als die Zusammensetzung der Bremer Nationalversammlung ermittelt wurde. Das Ergebnis war ein überwältigende Wahlsieg der Linken, da die drei Linksparteien MSPDUSPD und KPD 59,6 % der Stimmen und 120 von 200 Sitzen erreichten. Insgesamt wurden 18 Frauen gewählt.

Das änderte sich dann allerdings deutlich in den anschließenden Wahlen, als auch in Bremen die Parteien deutlich an Boden gewannen, die sich weder für einen Ausbau der weiblichen Gleichberechtigung noch der betrieblichen Mitbestimmung stark machten. Das galt etwa für DVP. Insgesamt stellten die Frauen in den sechs Bürgerschaftsperioden von 1920 bis 1930/33 von den 120 Abgeordneten der späteren Bürgerschaft 10 bis 12 Abgeordnete, also knapp 10 % oder weniger. Die geringe Zahl weiblicher Abgeordneter traf also nicht nur für eine Wahl zu, sondern zeigte sogar einen negative Trend; denn die Zahl der weiblichen Abgeordneten hat im Laufe der Weimarer Republik eher ab- als zugenommen. Immerhin sorgten die wenigen Parlamentarierinnen im Reichstag  für die Zulassung von Frauen als Richterinnen, Schöffinnen und Geschworene.

Reale Macht wurde den Frauen jedoch sogar von ihren männlichen Parteigenossen nicht eingeräumt, da die erste Senatorin, das KPD-Mitglied Käthe Popall, erst 1945 von der Militärregierung ernannt wurde. Offenbar sahen viele Linke darin nicht einmal einen politischen Widerspruch, wenn sie den Frauen keine Verantwortung für eine senatorische Behörde zutrauten. Sie waren eben noch nicht so weit und mussten sich erst gedulden wie vorher die Männer.
Der Einsatz für das Frauenwahlrecht hat sich damals vermutlich für die Linke in Bremen nicht ausgezahlt, denn überall im Deutschen Reich gaben überdurchschnittlich viele Frauen ihre Stimmen den eher religiös orientierten Parteien wie dem Zentrum, die sich nicht gerade durch einen großen Einsatz für die Rechte der Frauen hervorgetan hatten. 

Offensichtlich hat die frühe Frauenbewegung also nur eine Minderheit vertreten, während die Mehrheit an den traditionellen Rollenbildern keinen Anstoß nahm. Dafür spricht auch die geringere Wahlbeteiligung der Frauen, die ganz anders als heute zehn Prozentpunkte unter der der Männer lag.

Zwar hatten vor allem die Linksparteien das Frauenwahlrecht durchgesetzt. Auch waren die ersten weiblichen Abgeordneten gewählt worden. Nur führte das nicht zur Beteiligung an der realen Macht der Exekutive, denn es gab weder während der Jahre der Weimarer Republik, also zwischen 1919 und 1933, noch anschließend unter den Nationalsozialisten in Bremen Senatorinnen.
  

Parallel zur politischen wollte die Linke mit viel Elan durch den Sturz der Fürsten, Könige und des Kaiser angespornt die politische durch eine wirtschaftliche Demokratie ergänzen. Dafür bestanden allerdings keine guten Rahmenbedingungen; denn die vielen teilweise hungernden und verwundeten Arbeitslosen wollten vor allem Frieden und Brot, während die betriebliche Mitbestimmung als ein schönes Ziel ohne reale Bedeutung erschien. Auf der damaligen politischen Agenda standen also ganz andere Programmpunkte weit oben.

Dennoch hatte die Linke den Gedanken einer Rätedemokratie nicht völlig vergessen. Nur fehlte dafür eine parlamentarische Mehrheit. So verabschiedete die Weimarer Koalition 1920 ein Betriebsrätegesetz, das für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten einen Betriebsrat vorsah, dessen Aufgaben in einer sozialen und wirtschaftlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer bestehen sollte. Ein Einfluss auf die Unternehmensziele, die Verteilung der Gewinnen und andere strategische Weichenstellungen durch das Management wurde nicht vorgesehen. 

Das galt sogar für die beiden Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat größerer Aktiengesellschaften. Damit waren die gesetzlichen Regelungen weit von den Einflussmöglichkeiten der Arbeiter und Angestellten entfernt, wie sie dem Räteprinzip entsprechen. Diese endgültige Abkehr der SPD von einer sozialen Revolution in Deutschland führte zu einer breiten Streik- und Demonstrationsbewegung, als die Gruppierungen links von der SPD, also die USPD und die entstehende KPD, gegen dieses Reformgesetz kämpften.

Auf der Grundlage dieses Gesetzes erhielt auch die BWK einen Betriebsrat und zwei Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Eine Frau war jedoch nicht darunter.

Allerdings dauerte diese erste Mitbestimmung der Mitarbeiter nur knapp vierzehn Jahren, denn nach der Machtübernahme durch die NS-Partei wurde durch das "Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit" vom 20.1.1934 diese Beteiligung der Arbeitnehmer wieder beseitigt. 

Für die Frauen auf der BWK schienen die Mitbestimmungsregelungen weder in der Weimarer Republik noch zu Beginn der Bundesrepublik eine reale Bedeutung zu besitzen, da die Gremien ausschließlich von Männern besetzt wurden. Das änderte sich erst 1984, als Marga Schikora erstmals in den Betriebsrat gewählt wurde. Nach ihrem Abschied gab es dann jedoch unter den elf Betriebsratmitgliedern wiederum keine Frau. 

Diese Zusammensetzung muss man allerdings vor dem Hintergrund des Frauenanteils unter den Beschäftigten der BWK sehen. Hier wird vom Unternehmen für 1954 ein Anteil von 40% ausgewiesen (Weser-Kurier vom 11.2.1954), der dann nach den umfangreichen Rationalisierungsmaßnahmen der 1960-er Jahre 1971 auf knapp 10 % gefallen ist.

Die fehlende Repräsentation von 40 % der Belegschaft kann kaum überraschen, wenn man die damalige soziale Stellung der Frauen in Deutschland berücksichtigt. So konnte man neben dem Wahlrecht kaum von einer weiblichen Gleichberechtigung sprechen. Dafür sorgte in einem ersten Schritt erst das Gleichberechtigungsgesetz von 1958, denn zuvor hatte der Mann das Entscheidungsrecht in allen ehelichen Angelegenheiten und konnte sogar über die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses der Ehefrau entscheiden. Ähnlich sah es bei Entscheidungen über das Vermögen aus, sodass Ehefrauen damit Menschen minderen Rechts waren. Bis in diese Zeit haben damit die Vorstellungen aus der Zeit des Kaiserreich und des NS-Regimes ihre Bedeutung behalten.

Nach dieser fast revolutionär zu nennenden Umwälzung des ehelichen Verhältnisses der beiden Geschlechter in Deutschland folgten erst durch die sozialliberale Koalition Ende der 1970-er Jahre weitere Änderungen vor allem im Scheidungs- und Familienrecht, durch die das Schuld- durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt wurde bei denen die elterliche Sorge im Scheidungsfall nach dem Kindeswohl und nicht mehr von einer im Scheidungsverfahren festgestellten Schuld abhängig war.

Durch rotgrüne Koalitionen oder Alleinregierungen der SPD im Bund und in Bremen trat seit etwa 1980 mit der Einrichtung der Bemischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) an die Stelle einer zuvor angestrebten Rechtsgleichheit eine Gleichstellung der Geschlechter, die durch Vorschriften und Quoten durchgesetzt werden soll. Dabei zeigt sich, dass diese Forderungen anders als noch das Frauenwahlrecht von vielen Frauen unterstützt wird, da die Parteien, die diese Ziele besonder engagiert verfolgen, inzwischen anders als kurz nach dem Ersten Weltkrieg unter den Wählerinnen überdurchschnittlich viele Stimmen erhalten.


Politische und sozial Emanzipation der Frauen in Deutschland

Jahr
Emanzipatiosschritt
1891
Arbeitszeitverordnung, die die Nacharbeit von Frauen verbietet
12. 11. 1918
Rat der Volksbeauftragten verkündet in einen Aufruf an das deutsche Volk „mit Gesetzeskraft“: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystem für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“
30. 11.1918
Reichswahlgesetz
23. 11.1918
Reichsamt für die wirtschaftliche Demobilisierung (DMA) erlässt die Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter, die den Achtstundentag einführt
19.01.1919Erste nationale Wahl in Deutschland mit Frauenwahlrecht
04.02.1920
Betriebsrätegesetz, nach dem Betriebsräte gegründet und zwei Arbeitnehmervetreter in die Aufsichtsräte großer Unternehmen gewählt wurden
20. 01.1934
Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit, das die Reformen von 1920 rückgängig macht ("Gleichschaltung")
16.01.38
Verordnung über das "Mutterkreuz", womit rassisch und politisch gewünschte deutsche Mütter ausgezeichnet werden, die mindestens vier Kinder geboren haben
23.07.45
Käthe Popall (KPD) wird durch die Militärregierung zur ersten Senatorin Bremens ernannt
08 05 49
Parlamentarischer Rat nimmt Grundgesetz (GG), dessen Art. 3 Abs. 2 GG besagt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.
18.06.57
Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz)
14.06.79Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts
24.07.79
Gesetz zur Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge
1984Wahl von Marga Schikora in den Betriebsrat
20.11.90Gesetz über die Errichtung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)
19.02.02Senat beschließt, „Perspektive des Gender Mainstreaming aktiv zu unterstützen“
24.04.15
"Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst", das Frauenquote von 30 % in Aufsichtsräten vorsieht  

 
Eine Geschichte der Frauen auf der BWK lässt sich zwangsläufig nur vor diesem Hintergrund darstellen, wobei auch ihr Anteil an der Belegschaft eine Rolle spielen muss, da sich die Positionen von Minderheiten und Mehrheiten unterschiedlich leicht durchsetzen lassen.

In der BWK stellten die weiblichen Beschäftigten bis in die 1950-er Jahre einen gewichtigen Anteil, als die Sortierung der Rohwolle noch in Blumenthal erfolgte. Das änderte sich in den folgenden Jahren mit den Rationalisierungsmaßnahmen, sodass der Frauenanteil bis 1971 auf nur noch knapp 10 % sank.

Auch wenn vom Unternehmen nur selten über die Entwicklung der Frauenbeschäftigung berichtet wurde, lässt sich diese Tendenz durch eine Reihe von Einzelinformationen über neue Ausbildungsjahrgänge belegen. Wenn daher "nur" für einige Jahre eine Frau im Betriebsrat vertreten war, bedeutet das nicht unbedingt eine extrem ausgeprägte Unterrepräsentation. Der Anteil der Frauen war eben relativ gering, nachdem es keine Sortierung mehr gab. Auch sah nicht jede Frau die politische oder gewerkschaftliche Arbeit als Teil ihres eigenen Rollenbildes.



BWK-Betriebsrat 1987 (Quelle: Sir Charles, Heft 3, S.1)


Geschlechtsspezifische Fähigkeiten




Wie es für landwirtschaftlich geprägte Kulturen üblich ist, unterschied man auch im Deutschen Reich bis zum Beginn der Industrialisierung zwischen Männer- und Frauenarbeiten. Grob gesagt waren dabei im bäuerlichen Bereich, denn 1882 - also vor der Mechanisierung der Landwirtschaft - waren 41,2 % aller Erwerbstätigen und ihrer Angehörigen im Deutschen Reich im Agrarbereich tätig, der damit die soziale Situation weitgehend prägte. Dabei galt eine strenge Arbeits
teilung; wobei der Bauer die Äcker zu bestellen hatte, während sich die Bäuerin um den großen Selbstversorgungshaushalt mit Garten und um die Kinder kümmerte. 

Das änderte sich im Zuge der Industrialisierung, als mit neuen Maschinen auch neue Beruf entstanden, die teilweise fast ausschließlich Frauen zugeordnet wurden. Das gilt etwa für Näherinnen, Stenotypistinnen, Telefonistinnen und Datentypistinnen (vgl. Übersicht)

Auf der BWK war damit in erster Linie die Verwaltung von dieser Entwicklung betroffen, wo die Aufgaben der Buchhalter und Schreiber von Frauen mit Schreibmaschinen oder Dateneingabegeräten teilweise ersetzt wurden.

Generell muss man dabei berücksichtigen, dass lange Zeit die Arbeit von Ehefrauen nicht als weibliche Karriere gesehen wurde. Vielmehr erklärten 1899 75 % der berufstätigen Frauen, sie müssten hinzu verdienen, weil der niedrige Lohn ihrer Männer sonst nicht ausreichen würde.



Vorwiegend von Frauen bediente Maschinen


Maschine
Jahr der Erfindung
Beruf
Nähmaschine
1848 durch Howe/ Singer
Näherin
Schreibmaschine
1899 u.a. durch Hermann und Franz Xaver 
Stenotypistin
Elektr. Schreibmaschine
1913
Stenotypistin
Klappenschrank
1881
Telefonistin
Lochkartenlocher
IBM, 1923
Datentypistin


Die Aufteilung in Frauen- und Männerarbeiten erfolgt dabei nach verschiedenen Kriterien, wie das Beispiel der Telefonistinnen zeigt. Als ab 1881 die Fernsprechnetze eingerichtet wurden, erledigten zunächst ausschließlich Männer die notwendige Handvermittlung. Dabei stellte man fest, dass die höheren Frequenzen einer Frauenstimme bei schlechter Leitungsqualität besser zu verstehen waren als die tieferen Männerstimmen. Damit wurden die Herren vom Amt durch das Fräulein vom Amt ersetzt und die Arbeit in einer Telefonzentrale wurde zu einem typischen Frauenberuf.

Bis in die Zeit des Gender Mainstreaming, also dem Politikwechsel von der Gleichberechtigung zur Gleichstellung der Frauen, indem gezielt für Frauen in Männerberufen von Seiten des Staates geworben wird, galt eine geschlechtsspezifische Abhängigkeit von Fähigkeiten, die man zumindest Frauen und Männer im Durchschnitt zugeschrieben hat. Das waren durchgängige Erwartungen, die von den Eltern über die Schule bis hin zu den Personalabteilungen der Unternehmen und Verwaltungen reichten, also der Berufswelt von Männern und Frauen feste Wahlmöglichkeiten vorgab . 



Berufstätige Frauen in der NS-Zeit


Mit dem Sturz der Monarchie hatten die Frauen in Deutschland das Wahlrecht erhalten, ohne dass damit eine wirkliche soziale Gleichberechtigung verbunden gewesen wäre. Vermutlich führte diese Frauenemanzipation von oben und als "Zugabe" zu anderen zentralen Programmpunkten zu einer Gleichgültigkeit zahlreicher Frauen gegenüber einer veränderten Rechtsstellung und einem möglichen Vordringen in Männerberufe.

Daher scheint es den Nationalsozialisten und anderen Parteien wie der DNVP auf der rechten Seite des Spektrums nicht besonders schwer gefallen zu sein, die ersten Zeichen einer sozialen Frauenemanzipation, wie sie sich etwa im Berlin der goldenen 1920-er Jahre andeutete, als eher unweiblich und undeutsch abzulehnen. Das Schlagwort von einer "neuen" Frau, die von konservativen Kreise für sinkende Geburtenraten verantwortlich gemacht wurde, galt daher vielfach eher als Schimpfwort. Besonderen Anstoß erregte dabei das Rauchen und Schminken in der Öffentlichkeit und eine freizügige Haltung zur Sexualität, wie man sie im Kaiserreich nicht gekannt hatte.

Titelseite der Zeitschrift homosexueller Frauen "Die Freundin" von 1928 (Quelle: wikipedia)


Innerhalb weniger Jahren hatte sich das Leben der Frauen durch den Sturz der Monarchien in den deutschen Ländern und im Reich sowie die Entstehung neuer "Frauenberufe" in der Industrie, in der Telekommunikation und bei Banken und Versicherungen in einer Weise verändert, wie es niemand zuvor gekannt hatte. 


Diese Offenheit gegenüber neuen Lebensentwürfen führte zu einer Suche nach einem neuen weiblichen Selbstverständnis. Dem setzten die Nationalsozialisten und andere rechte und konservative Kräfte ein Leitbild mit festen Geschlechterrollen entgegen, die in einer fast archaisch-mythischen Überhöhung definiert wurden. Der Mann sollte Ernährer und Beschützer, später dann im Verlauf de Zweiten Weltkrieges immer mehr auch Krieger sein, die Frau vor allem Mutter, um durch diese Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung Raum zu erobern und mit Nachkommen aus möglichst vielen und großen deutschen Familien zu bevölkern. Die "deutsche" Frau sollte also für die Ausbreitung der „arischen Rasse“ möglichst zahlreiche Kinder gebären oder wörtlich nach einem Text aus jenen Jahren, „die Frau hat die Aufgabe, schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen. Dafür sorgt der Mann für die Nahrung und wehrt den Feind ab.“

Dadurch waren die akzeptierten Berufsfelder erheblich eingeschränkt, zumal sie weitgehend aus den Rollen von Hausfrau und Mutter abgeleitet waren. Zu den wenigen Ausnahmen zählten die schon früher als typisch weiblich geltenden Berufe wie Krankenschwester, Erzieherin oder Verkäuferin. Auch als Dienstmädchen oder Köchin durften Frauen arbeiten oder als Bäuerin, jedoch keineswegs als Richter. 



             Ausstellung "Die BWK in der NS-Zeit" (Quelle: Förderverein Kämmereimuseum)


Während die NS-Ideologen Schwierigkeiten hatten, die berufliche Rollenrealität vieler Frauen mit ihrem Frauenbild in Einklang zu bringen, beschäftigen sie sich intensiv mit der Rolle der Mutter, die ganz entsprechend dem eigenen Weltbild definiert wurde. Dabei spielten psychologische Aspekte praktisch keine Rolle, wie sie etwa in der angelsächsischen Psychologie mit der Bindungstheorie größere Bedeutung bekamen. Da war man erheblich weniger wissenschaftlich, sondern scheint mehr auf Stammtischvorurteile und Biologismus gesetzt zu haben.

Das blieben nicht nur ideologische Absichtserklärungen und Forderungen. Vielmehr wurde daraus schnell ganz reale Poitik, die in das Leben der Frauen und Familien eingriff. So gab es vom NS-Staat Ehestandsdarlehn, die an ein Ausscheiden der Ehefrau aus dem Berufsleben gekoppelt waren. Auf diese Weise gelang es, gleichzeitig die hohe Arbeitslosigkeit in Folge der Weltwirtschaftskrise von 1929 und die Frauenerwerbsquote zu senken. Das änderte sich Ende der 1930-er Jahre wieder, als die beginnende Kriegswirtschaft Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie benötigte. 


Die Frauen wurden allerdings nicht nur als Ehefrauen und Mütter definiert. Ihnen wurden auch Charaktereigenschaften abverlangt, die den Emanzipationsbestrebungen der Frauen praktisch diametral entgegengesetzt waren. Frauen sollten ihre Fähigkeiten nicht optimal entfalten und Karriere machen, sondern sich durch "Treue, Pflichterfülung, Opferbereitschaft, Leidensfähigkeit und Selbstlosigkeit auszeichnen." Dabei muss man sehen, dass sich hierin nicht etwa ausschließlich Männerfantasien wiederfinden, sondern nicht wenige (Haus-)frauen Hitler gewählt haben und mehr oder weniger wörtlich dem Führer ein Kind geschenkt haben. 


Symbolischer Ausdruck dieses besonderen Mutterkultes war das "Ehrenkreuz der Deutschen Mutter", das am 16. Dezember 1938 per Verordnung vom Führer "gestiftet" wurde. Von seiner Gestaltung her sollte das Mutterkreuz bewusst an das Eiserne Kreuz erinnern, also an eine militärische Auszeichnung für Soldaten der Wehrmacht. Nur gab es diese Auszeichnung nicht für das Töten von Feinden, sondern das Gebären neuer "Volksgenossen". So sprach man analog zum Krieg von der „Geburtsschlacht“, in der die Mütter Erfolge erzielt hatten und die Wiegen wurden bereits „wie ein schlafendes Heer gesehen. Wichtig war dabei die Anzahl der Kinder, da das Mutterkreuz in drei Stufen vergeben wurde: in Bronze für vier oder fünf Kinder, in Silber für sechs oder sieben Kinder und in Gold für acht und mehr Kinder.

Dabei zählte allerdings nicht ein Kind wie das andere, denn die Auszeichnung konnten nur arische Mütter erhalten, die nicht als asozial oder "anständig" galten. Diese Einschränkungen führten zu einem großen Interesse an der Verleihung, da keine Mutter mit dem zahlenmäßig sichtbaren Nachwuchs öffentlich moralisch diskriminiert werden wollte.  

Die Mutterkreuzverleihungen wurden wie religiöse Veranstaltungen zelebriert, zu denen spezielle Lieder gesunken, Sprüche vorgetragen und "Weihespiele" aufgeführt wurden. Mit dem Muttterkreuz waren zudem zahlreiche Ehrerweisungen und Vergünstigungen verbunden. So mussten 

Hitlerjungen vor ihnen salutieren, Sitzplatzinhaber ihnen in Straßenbahnen und Zügen ihren Sitzplatz frei machen und bei Veranstaltungen hatten sie das Recht auf einen Ehrenplatz sowie bei Behördengängen den Vortritt in Warteschlangen. 

So sahen zumindest die ideologischen Prämissen aus. Unter den Zwängen des Krieges wurde dann allerdings eine fast diametrale Rollendefinition Realität. Während die Soldaten durch Orden und die Mütter durch Mutterkreuze geehrt wurden, kam es im deutschen Arbeitsleben zu einer zuvor völlig abweichenden Umwälzung. Nicht mehr deutsche Arbeiter und Angestellte hielten die Produktion aufrecht, da sie sich zu einem großen Teil außerhalb des Grenzen des Großdeutschen Reiches aufhielten und dort mit Waffen, Lebensmitteln und Kleidung versorgt werden mussten. Diese Aufgabe mussten seit Kriegsbeginn immer mehr Frauen und Zwangsarbeiter übernehmen. 

Der Zweck musste in dieser für das Regime prekären Situation die Mittel rechtfertigen. Das wurde besonders deutlich, als der Propagandaminister Joseph Goebbels in seiner Sportpalastrede Mitte Februar 1943 zum totalen Krieg aufrief.  Darin wurde das gesamte ideologische Gebäude endgültig über Bord geworfen, als der Minister erklärte, „dass die deutsche Frau fest entschlossen ist, den Platz, den der Mann, der an die Front geht, freimacht, in kürzester Zeit voll auszufüllen“.


Weibliches Engagement in der BWK

Auch wenn es im Vorstand und im Aufsichtsrat der BWK keine Frauen gab, spielten sie dennoch eine Rolle in der Woll-Kämmerei. Das ist nicht nur eine quantitative Aussage, die sich am Frauenanteil unter den Beschäftigten festmachen lässt.

Dafür sprechen mehrere Serien und Einzelartikel, in denen die Redaktion der Werkszeitung "Sir Charles" einzelne Mitarbeiterinnen der BWK porträtierte. Berichtet wurde so speziell über "Frauen in der BWK". Auch in der offenbar gern gelesenen Reihe "Mein schönstes Hobby", in der BWK-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter ihre Freizeitaktivitäten vorstellten fehlten die Kollegin keineswegs. Die Zahl der Folgen spricht hier sehr deutlich für ein großes Leserinteresse. Dabei zeigte sich, dass die Frauen in ihrer Freizeit nicht "nur" Hausfrau und Mutter waren.

Die BWK-Powerfauen fand man hingegen ganz sportlich als Seglerin auf dem Dümmer (Sir Charles,53, S. 7), als Bikerin mit einer BMW R 850 R (Sir Charles, 48, S.7), als Ballonfahrerin (Sir Charles, 42, S. 7), beim Jazz-Schautanz (Sir Charles, 33, S. 7), als Spring- (Sir Charles, 49, S. 7) oder Westereiterin (Sir Charles,32, S. 7) sowie als Bundesligaschiedsrichterin beim Hockey (Sir Charles,53, S. 7). 

Andere betätigten sich als Tierzüchterin etwa der französisch-belgischen Treiberhundrasse "Bouviers de Flandre" (Sir Charles,53, S. 7). Bei diesen Schwerpunkten fällt dann ein eher traditionelles weibliches Hobby wie "Spinnen und Weben(Sir Charles, 6, S. 7) kaum ins Gewicht. Es erscheint als eine schöne kunsthandwerkliche Ausnahme.  

Frauen aus der BWK waren auch in einem Kulturkreis des Unternehmens aktiv, der nicht den Kunstkonsum, sondern ein "aktives und kreatives Tätigsein" als Ziel ansah. Dabei war der Begriff der Kunst relativ weit gefasst, da sie neben "Malen und Modellieren über das Musizieren und Singen" auch die "Schriftstellerei und das Gedichteschreiben" einschloss. Als besondere Ergänzung zur Kunst im engeren Sinne wollte man sich auch mit der "Geschichte Blumenthals und der Bremer Woll-Kämmerei" beschäftigen. (Sir Charles, 3, S. 5)

Der im Mai 1986 gegründete Kulturkreis konnte im folgenden Jahr bereits eine kleine Ausstellung in der Filiale Blumenthal der Sparkasse Bremen organisieren, in der Werke von Anna Petridou, die als Dolmetscherin für Griechisch auf der BWK gearbeitet hat, Helena Cicirello und Alfred Förster präsentiert wurden. Hier gab hier also einen Bereich, in dem die BWK-Frauen überrepräsentiert waren. Nur ging es dabei eben nicht um Macht, sondern um Kunst.





(Quelle: Sir Charles, Augabe 3, S. 5)


Die Fähigkeiten ihrer Frauen wurden in der BWK jedoch auch in anderen Bereichen außerhalb des direkten Arbeitslebens genutzt. So zählten auch vier Frauen zum elfköpfigen zweiten Redaktionsteam der Werkszeitung "Sir
Charles", das für die Ausgaben ab dem Dezember 1994 verantwortlich war.

Mit Kathleen Ahlers war auch noch eine Frau Mitglied des Redaktionsausschusses der letzten Ausgabe, die im Mai 2005 erschienen ist, also einem Jahr, in dem die BWK AG mit nur noch 184 Mitarbeiten (Geschäftsbericht 2005, S. 13) auch nach Sanierungsbeiträgen der Banken noch rote Zahlen schrieb.




Interpretationsversuche der weißen Wand



Die weiße Wand ist damit keineswegs inhaltleer. Sie kann viel über mehr als ein Jahrhundert Frauenarbeit in Deutschland und innerhalb dieser nationalen Rahmenbedingungen bei der BWK berichten. Gerade eine Einordung der Bilder der Fotoausstellung in den Kontext der deutschen Sozialgeschichte und des
betrieblichen Wandels der BWK kann über Hintergründe und Zusammenhänge aufklären, die ein Foto allein nicht aufdecken kann.

Man muss sehen, dass die weiße Wand eine lange soziale und politische Vorgeschichte besitzt, die das Fehlen von Frauen im Vorstand und Aufsichtsrat der BWK erklärt.

So hätte man sicherlich in den letzten Jahren der AG, als der Ruf nach mehr Frauen in Führungspositionen lauter wurde, große Schwierigkeiten gehabt, überhaupt qualifizierte Frauen zu finden, die sich in einem konkursgefährdeten Unternehmen um ein Führungsamt beworben hätten.

Und auch im Bereich des mittleren Managements sollte man die ganz besondere Aufgaben- und Mitarbeiterstruktur einer Wollkämmerei nicht übersehen. Das Gros in der Produktion stellten angelernte ArbeiterInnen. Hinzu kamen die Meister und Angehörige handwerklicher Berufe, die vor allem für Reparaturarbeiten in speziellen Werkstätten auf dem BWK-Gelände zuständig waren.

In der Verwaltung waren kaufmännische Angestellte tätig, während die Positionen im mittleren und höheren Management vorwiegend mit Universitätsabsolventen besetzt waren, die vorher noch ein Volontariat oder eine anderer Form von praktischer Ausbildung bei auswärtigen Kämmereien oder in anderen Bereichen der Wollwirtschaft absolviert hatten. Insgesamt muss man daher von einer deutlichen Grenze zwischen dem Management und der Belegschaft sprechen, die Übergänge durch eine Qualifizierung der eigenen MitarbeiterInnen nicht gerade erleichterte.

Auch sollte man beachten, dass eine Wollkämmerei nicht mit einer Näherei oder einigen anderen Unternehmen in der Textil- und Bekleidungsindustrie vergleichbar ist. So erreichten die Frauenanteile unter den Beschäftigten bei der BWK nicht die in Nähereien. Das galt vor allem, als die Sortierung immer stärker abgebaut wurde, da die Sortierarbeiten bereits in den Wollausfuhrländern ausgeführt wurden. Damit fiel der Frauenanteil auf ca. 40 % und im Zuge der weiteren Automatisierung der Produktion auf nur etwa 10 %.

Es zeigt sich damit deutlich, dass in der Produktion vor allem technisch versierte Mitarbeiter benötigt wurden, also Fachkräfte für Arbeitsaufgaben, die bei Frauen zumindest früher nicht besonders beliebt waren.

Die weiße Wand resultiert damit aus den historischen Unterscheidungen zwischen Männer- und Frauenberufen mit den jeweils unterschiedlichen Tätigkeits- und Entlohnungsstrukturen, wobei die BWK kein Unternehmen mit einem besonders hohen Frauenanteil war, wie man sie sonst in der Textil- und Bekleidungsindustrie findet. 

Da die Auflösung des Unternehmens noch vor dem eigentlichen Beginn der Debatte über die Frauenquoten in Vorständen und Aufsichtsräten erfolgte, hat sich vermutlich niemand bei der BWK Gedanken über eine Diversifikation des Managements gemacht. Hier dürfte für alle der Kampf gegen den betriebswirtschaftlichen Tod wichtiger gewesen sein.

Gleichwohl kann man auch durchaus Hinweise auf eine frühe Form von Frauenförderung finden, und zwar weniger bei der Vertretung der Arbeitnehmer, wenn man an die Zusammensetzung des Betriebsrates denkt, als bei der Prokuraerteilung an zwei Mitarbeiterinnen (Sir Charles, 13, S. 4)

Andere Frauen waren sogar Miteigentümerinnen der Aktiengesellschaft, wenn auch aufgrund ihrer begrenzten Aktienzahl ohne großen Einfluss auf die Mehrheiten in der Hauptversammlung. So fand die Mitarbeiterzeitung "Sir Charles" auf der BWK-Hauptversammlung im Jahr 1988 eine Aktionärin, mit der sie ein Interview über die Situation des Unternehmens führte (Sir Charles, 8, S. 2).



Quellen:

Bahr, Albrecht-Joachim, Idylle - selbst zu Zeiten des Krieges? "Frauen auf der BWK" stehen im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung des Fördervereins Kämmereimuseum, in: Norddeutsche vom 6.8.2015.


Becker, Andreas, Vom harten Leben der "Wollmäuse". Am Internationalen Frauentag: Frauenarbeit auf der Nordwolle. Führung durchs Fabrikmuseum, in
Delmenhorster Kurier vom 10.3.2003.


Bendel, Carolin, Die deutsche Frau und ihre Rolle im Nationalsozialismus, in: Zukunft braucht Erinnerung vom 
3. 10.2007.


Buschmann, Ulf, Persönliche Stadtteil-Geschichte. Frauen auf der BWK: Margot Körber erinnert sich an das Leben ihrer Mutter Anneliese Sendler, in: Norddeutsche vom 18.08.2015. 


Drieling, Regina, Unverzichtbare Frauen. Ohne Arbeiterinnen wäre die BWK undenkbar gewesen / Ausstellung ab 6. August, in: BLV vom 5.8.2015, S. 3.


Ellerkamp, Marlene, Industriearbeit, Krankheit und Geschlecht. Zu den sozialen Kosten der Industrialisierung. Bremer Textilarbeiterinnen 1870 – 1914. Göttingen 1991.
Friedrichs, Doris, Im Wechsel der Zeiten. Fotodokumentation über Frauenarbeit bei der Bremer Wollkämmerei, in: kreiszeitung vom 17.08.2015.

Leohold, Volkmar, Die Kämmeristen. Arbeitsleben auf der Bremer Woll-Kämmerei, Hamburg 1986.

Matthes, Katrin, Leben in einer Stadt in der Stadt. Berthold Bellersen, ein ehemaliger Angestellter bei der Delmenhorster Nordwolle, führt über das Fabrikgelände, in: Weser-Kurier vom 12.5.2006.


NN, Was unsere Frauen interessiert. Kleines ABC der Mäntel, in: Sir Charles. Ausgabe 2 von 1987, S. 6.

NN, Flinke Hände und ein sicheres Auge (Frauen in der BWK), in: Sir Charles. Heft 3 von 1987, S. 5.

NN, Frau oder Fräulein, in: Sir Charles, Heft 13 vom Mai 1990, S. 4.

NN, Frauen in der BWK. Heike Hübner: Manchmal muss ich Blitzableiter sein, in: Sir Charles, Heft 13 vom Mai 1990, S. 4.

NN, Marga Schikora: Frauen in de BWK. Schon mal was von Ustern gehört?, in: Sir Charles, Heft 14 vom Dezember 1990, S.3.

NN, Frauen in der BWK. Ölerinnen Zwei halten noch die Stellung, in: Sir Charles. Heft 15 vom Juni 1991 , S 3.

NN, Von früher: Das historische Bild. Frau packte an, in: Sir Charles. Heft 47 vom Dezember 2000.


Oelfken, Tami, Maddo Clüver, Düsseldorf 1956.


Weber, Gerd, "Wir waren grau und schnell wie die Mäuse". Ruth Müllers Leben ist mit der Nordwolle verbunden, in: Delmenhorster Kurier vom 3.12.2004.

Weyrather, Irmgard, Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die "deutsche Mutter" im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1993