Montag, 23. Juni 2014

EU-Wahl: Die PARTEI



Wenn Politik (auch) Spaß machen

soll:



Deutschlands Satirepartei in den ersten Parlamenten




                                        Logo der PARTEI (Quelle: wikipedia)


Mit 184.709 Stimmen oder 0,6 % der abgegebenen gültigen Stimmen bei der Europawahl 2014 hat sich Martin Sonneborn, der Gründer und Vorsitzende der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – oder kurz die PARTEI, knapp den letzten Sitz des deutschen Kontingents für das Europaparlament erkämpft. Neben den Wählern haben dazu vor allem das Bundesverfassungsgericht, das die Sperrklausel gekippt hat, und die Abrundung des Ergebnisses nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren dazu beigetragen.

Dieser sogleich satirisch aufbereitete Schritt in die europäische Politik hat die PARTEI für die Medien besonders interessant gemacht, da man über diese ganz und gar nicht medienscheue Partei unterhaltsamer berichten kann als über die biederen Anliegen der Tierschützer und der Familienförderer. Hier lässt sich schließlich die Geschichte einer Kleinpartei mit vielen ausgefallenen und provokativen Aktionen und Programmpunkten als politische Realsatire verfolgen.

Man kann allerdings die PARTEI und ihre Wähler auch wie die jeder anderen politischen Gruppierung analysieren. Dabei zeigt sich, dass vor allem Schüler, Studenten und andere junge Erwachsene zu ihren Wählern zählen, sodass ihre sozialräumlichen Schwerpunkte in den innenstadtnahen Altbaugebieten von Universitäts- und Großstädten liegen, wo sich eine ausgeprägte Alternativkultur entwickelt hat. Das sind etwa Kreuzberg in Berlin, das Hechtviertel in Dresden, die Leipziger Stadtteile Plagwitz, Connewitz, Lindenau und Volkmersdorf oder das "Viertel" in Bremen.

Generell kann die PARTEI in diesen Städten mit einem Potenzial von ca. einem Prozent der Wähler rechnen, was mit etwas Glück bei der Abrundung der Prozentzahlen zu einem Sitz im Stadtrat reichen kann, wenn er denn groß genug ist. Dieses Potenzial konnte die PARTEI bei den Kommunalwahlen, die im Jahr 2014 in mehren Bundesländern mit der Europawahl gekoppelt waren, in einem guten halben Dutzend von Städten für den Einzug in die Stadträte nutzen. Voraussetzung war dabei eine aktive Parteiarbeit, die nicht nur in einem zumindest satirisch ansprechenden Programm, sondern auch in Kandidaturen in möglichst allen Wahlbezirken bestanden hat.

Überall dort, wo es keine Hürden von drei oder fünf Prozent gibt, kann PARTEI daher mit kleinen Erfolgen in ihrer Politiknische rechnen.

Nur die Stadtstaaten werden trotz ihrer großen alternativ geprägten Quartiere vermutlich weiterhin ohne ausgewiesene „Satiriker“ in den politischen Gremien auskommen müssen, da die Städte als Bundesländer gelten und die relativ großen Teilbezirke nur kleine Vertretungen besitzen, wo erst ca. drei-prozentige Wähleranteile zu einem Sitz reichen.




            Vorstellung der PARTEI durch den Vorsitzenden (rbb 2011) (Quelle: youtube)



Eine Partei besonderen Typs


Die vielfach diagnostizierte und beklage Politikverdrossenheit hat verschiedene Folgen. Zu einer ansehnlichen Größe ist inzwischen die Partei der Nichtwähler angewachsen, die sogar bei der letzten Bundestagswahl mit 28,5 % fast so stark war die als Gewinner gefeierte CDU/CSU, die 29,7 % erreichte.

Dieses Nichtstun ist zweifellos die bequeme Reaktion auf die Politiker und deren Entscheidungen, die einem nicht passen. Daneben gibt es noch den mühsamen Weg, selbst eine eigene Partei zu gründen, um der Kritik durch ein besseres Angebot zu begegnen. Das machen vor allem bei Kommunalwahlen zahlreiche Wahlberechtigte und gründen parteiunabhängige Wählergruppen, die sich häufig für konkrete Projekte vor Ort einsetzen.

Daneben gibt es seit einiger Zeit noch einen dritten Weg. Man wählt eine junge Partei, die politsche Satiren in den Wahlkampf und inzwischen nach den ersten Wahlerfolgen bis in die Parlamente trägt. Diese Spaß- oder Satirepartei nennt sich offiziell - und damit beginnt bereits ihr satirisches Programm - Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative oder als Akronym der Anfangsbuchstaben abgekürzt "Die PARTEI", womit sie in Ostdeutschland an die landläufige Bezeichnung für die ehemalige Staatspartei SED anknüpft. Das ist durchaus gewollt, wie das Einspielen des alten Parteiliedes „Die Partei hat immer recht“ in den Videos der jungen Satirepartei schon rein akustisch beweist, die dieses „Lied der Partei“ als ihre Parteihymne verwendet.


Bei dieser provokativen Anleihe an den SED-Staat kommt eine zentrale programmatische Forderung der „PARTEI“ dann auch weniger überraschend, mit der sie ebenfalls medial auf sich aufmerksam machen konnte. Die PARTEI will, anders als die übrigen deutschen Parteien, die Mauer wieder errichten, womit man offenbar satirisch auf eine weiterhin bestehende Mauer in den Köpfen hinweisen will und die hohen Kosten der Wiedervereinigung in den Blickpunkt rückt.

Wie dem auch sei. Auf alle Fälle konnte dieser Programmpunkt dazu beitragen, dass sich die PARTEI mit ihrem Chef, dem Satiriker Martin Sonneborn, aus dem Allerlei der Klein- und Kleinstparteien abgehoben hat.



Spontan und voller Überraschungen, aber keine Eintagsfliege



Auch wenn erst die letzte Europawahl die PARTEI durch zahlreiche Medienberichte weithin bekannt gemacht hat, handelt es sich um keine Parteigründung zu nur dieser einen Wahl. Vielmehr besteht die PARTEI bereits seit 2004. Schon damals hat sie sich das Ziel gesetzt, in Wahlen 100 % plus x und damit die Machtübernahme zu erreichen, womit man bei der Terminologie einer anderen deutschen Partei eine verbale Anleihe macht, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland als „die“ Partei gegolten hat.

In ihrer ironischen Selbstdarstellung versucht damit fast zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer „eine schmierige kleine populistische Oppositionspartei, in Deutschland die Macht zu übernehmen und das Land wieder zu teilen!“

Bei dieser zentralen Zielsetzung haben die Politikwissenschaftler es besonders schwer, die PARTEI als links oder rechts zu klassifizieren oder sie als populistisch zu brandmarken. Das fällt naturgemäß schwer, wenn die Experten diese Charakterisierung nicht als Ergebnis einer umfangreichen Analyse vorstellen können, weil sich die PARTEI bereits selbst entsprechend geoutet hat. Und mit dem Slogan, die Inhalte in der Politik „überwinden zu wollen“, gibt es kaum Möglichkeiten, an Sachthemen eine Nähe zu einer anderen Partei festzumachen. Die PARTEI ist so wenig greifbar, zumal sie auch immer wieder durch medienwirksame Aktionen überrascht, die nicht dem politisch korrekten Mainstream folgen.

Aber es gibt auch feste Strukturen. So treten die führenden Mitglieder der PARTEI bei öffentlichen Veranstaltungen stets in grauen Polyesteranzügen einer großen Bekleidungskette, blauen Hemden und roten Krawatten auf, wobei kein Unterschied nach dem Geschlecht gemacht wird. Die Satirikerinnen sind also total gleichberechtigt.




                                                Cover des Parteibuchs




Manche Projekte der erklärten Nicht-Spaß-Politiker, die nur den Spaß nicht aus der Politik verbannen wollen, waren für die lokalen Gruppen der „PARTEI“ besonders anregend. Man findet sie daher gleich in verschiedenen lokalen Versionen von kommunalpolitischen Wahlprogrammen. Eine ganz besondere Faszination geht dabei von Mauern aus, die in vielen Fällen als Abgrenzung dienen sollen, und von Infrastruktureinrichtungen, die man aufgrund von Überlegungen, wie sie schon die Schildbürger angestellt haben sollen, unter die Erde verlegen will. Diese wichtigen kommunalen Forderungen stellen so inzwischen fast schon ein politisches Markenzeichen der PARTEI dar, obwohl diese Ideen bekanntlich ursprünglich von ganz „seriösen“ Parteien stammen, also mit Satire oder gar Spaß ganz gewiss nichts zu tun haben.

Für einen festen Rückhalt an Wählern in ganz Deutschland dürfte die enge personelle Verbindung der PARTEI zum Satiremagazin „Titanic“ sorgen, das mit einer Druckauflage von 100.000 Exemplaren Deutschlands zweitgrößte Satirezeitschrift hinter dem Eulenspiegel ist.

Damit werden auch Leser fern der Metropolen der Republik mit ihren alternativen Subkulturen erreicht. Es muss von dieser Symbiose jedoch nicht nur die PARTEI profitieren. Einige Kritiker dieser etwas anderen Partei halten die Beteiligung an Wahlen, die mit kostenlosen Fernsehspots verbunden ist, ohnehin nur für einen Werbegag der Zeitschrift, die so auf sich aufmerksam macht und neue Leser und Käufer akquiriert.



Über Europa in den Fokus der Medien


Entscheidendes Ereignis bei der Europawahl 2014 war für die PARTEI das Mandat für ihren Berliner Kandidaten und Parteivorsitzenden Martin Sonneborn. Dieses Resultat, das erst nach der Auszählung der letzten Stimmen feststand, brachte schließlich die Aufmerksamkeit der Medien und machte die PARTEI auch bei Wahlberechtigten bekannt, die nicht die Titanic lesen und auch generell keine Freunde von Satiren sind.

Die Zahl der Wähler war hingegen weniger beeindruckend. Spannender und bedeutsamer war eher das Glück bei der Anwendung des Sainte-Laguë/Schepers-Verfahrens bei der Umrechnung des Wähleranteils auf die 96 deutschen Sitze im Europaparlament. Rein rechnerisch wären danach für einen Sitz 1/ 96 der Stimmen oder 1,04 % erforderlich. Da es jedoch aus biologischen und juristischen Gründen nur ganze Mandate und Abgeordnete gibt, werden die Bruchteile gerundet. Das geschieht bei den deutschen Europaabgeordneten nach einem Verfahren, das nicht mehr die großen Parteien begünstigt wie das früher sehr beliebte D'Hondt-Verfahren.

Aufgrund einer für die PARTEI günstigen Verteilung der Bruchteile auf die anderen Parteien hat jetzt die PARTEI durch das Verfahren bei der Zuteilung praktisch 0,4 Prozentpunkte oder Zweidrittel des erhaltenen Stimmenanteils „geschenkt“ bekommen und kann daher einen Abgeordneten nach Straßburg entsenden.

Notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung dafür waren aber die Wähler der PARTEI. Blickt man auf die Werte für die sechzehn Bundesländer, liegen die Anteile meist bei unspektakulären 0,5 %, 0,6 % oder 0,7 %. Deutlich mehr sind es nur in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie in Sachsen mit den drei Metropolen Leipzig, Dresden und Chemnitz. Auf den unteren Rängen findet man hingegen die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit 0,5 %. 


Die Wähleranteile „Der Partei“ in den Bundesländern bei der Europawahl 2014

Bundesland
Wähleranteil in %
Berlin
1,6
Bremen
1,0
Sachsen
0,9
Hamburg
0,9
Quelle: www.bundeswahlleiter.de


Betrachtet man die Anteile auf Kreisebene, fällt auf, dass die PARTEI vor allem in den neuen Bundesländern relativ hohe Werte erzielt hat. So liegen sieben der zehn kreisfreien Städte, in denen die PARTEI besonders hohe Anteile verzeichnen konnte, östlich der ehemaligen Zonengrenze und Berliner Mauer. Nimmt man Berlin hinzu, sind es sogar acht. Offenbar spricht hier die alte und ständig auf der Webseite wiederholte Forderung einer erneuten deutschen Teilung im Osten mehr Wahlberechtigte an als im Westen.

Zehn PARTEI-Hochburgen auf Kreisebene (Europawahl 2014)


Kreis
Anteil der „Partei“ in %
Leipzig
1,9
Dresden
1,8
Berlin
1,6
Halle/ Saale
1,5
Jena
1,5
Weimar
1,5
Kiel
1,4
Potsdam
1,4
Darmstadt
1,3
Erfurt
1,3
Quelle: www.bundeswahlleiter.de


In den Medien wurde auf diese harten Fakten zur Wahl kaum eingegangen. Im Mittelpunkt stand vor allem das von Herrn Sonneborn angekündigte Rotationsprinzip. So muss es nach den Worten eines Wahlrechtsexperten, den der Hessische Rundfunk befragt (siehe das folgende Video), nachdem vorher einige Plakate der "skurilen" PARTEI ausgiebig im Bild erschienen sind, als Rechtsmissbrauch verhindert werden. Über die Verantwortlichen für diese üppige Regelung zugunsten der EU-Parlamentarier wird hingegen kein Wort verloren.


                                hrr zur Wahl ins Europaparlament (Quelle: wikipeida)



Die Wirkung politischer Programme


Bevor die PARTEI durch den Fall der Sperrklauseln bei Kommunalwahlen und für die deutschen Vertreter im EU-Parlament und von Mitgliedern in Gemeinde- und Stadträten gewählte Repräsentanten besitzt, musste sie sich - ganz wie normale Satiriker - auf die Kraft des Wortes verlassen. Das waren in diesem Fall Partei- und Wahlprogramme, die durch gezielte Aktionen unterstützt wurden. Eine gewisse Breitenwirkung gelang schließlich noch durch Videos, die sich über youtube abrufen lassen, und nicht zuletzt eine Anleitung zur Parteigründung, in der der PARTEI-Vorsitzende die Kindheitsgeschichte seiner Satiregruppe als nicht nur spaßige Anleitung zum Selbermachen vorstellt.


Die Homepage der PARTEI mit der dort ständig wiederholten Forderung einer endgültigen Teilung Deutschlands



Die Kritik „seriöser“ Politiker an einer Politik mit Spaß

Die Wahl, ja, sogar die Existenz einer Satirepartei ist nichts für jedermann. So haben gerade nach dem Einzug von Herrn Sonneborn ins Europaparlament zahlreiche Politiker der Parteien, die von der PARTEI quasi im Gegenzug als Spaßparteien bezeichnet werden, deutliche Kritik an dieser Form von entlarvender Politik geübt. Für sie widerspricht es dem Geist einer Demokratie, wenn man deren zentrale Institutionen wie Wahlen und Parlamente nicht verantwortungsvoll würdigt, sondern banalisiert und verulkt.



Satireparteien jenseits der deutschen Grenzen

Satiriker haben nicht nur in Deutschland Parteien gegründet, die sich sehr kritisch mit dem üblichen Politikbetrieb auseinandersetzen. Große Erfolge haben sie in der letzten Zeit in der isländischen Hauptstadt Reykjavík und in Italien erzielt. Dabei lassen sich zwei Wege unterscheiden, auf denen die Satire aus ihrem kulturellen Ghetto auf Bühnen und zeitlich begrenzten Fernsehsendungen ausbricht und ganz real politisch wird.

In Italien hat Beppe Grillo seine Popularität und seine analytischen Fähigkeiten genutzt, um ein sehr konkretes Wahlprogramm aufzustellen, das kaum Provokationen und keine rein satirisch gemeinten Forderungen enthält. Aber es lebt von der Kritik an den alten Parteien, die es geschafft haben, das im „Parlament Ehefrauen, Geliebte, Angestellte, Taschenträger, Jasager, Vorbestrafte, Mafiosi und Camorristi sitzen“ und es dem Bürger nur noch erlauben, „Symbol anzukreuzen.“

Größe Ähnlichkeit mit der PARTEI, die sich selbst gern als „sehr gut“ qualifiziert, was an ein Testergebnis erinnert, hat die Besti flokkurinn in der isländischen Hauptstadt, ein Parteiname, der in der deutschen Übersetzung „Beste Partei lautet.

Diese von Politikexperten als „anarchosurrealistisch“ gekennzeichnete Gruppierung konnte bei der Wahl zum Stadtrat auf Anhieb stärkste Partei werden. Dafür haben die Verstrickungen der großen Parteien in die Finanzblase gesorgt, die Island und seine Bewohner ohne eine realwirtschaftliche Fundierung und viel Arbeitsaufwand durch internationale Finanzgeschäft reiche machen sollte, dann aber in einem existenziell bedrohlichen Desaster endete. Diese Art professioneller Wirtschaftspolitik, hat zu einem deutlichen Überdruss an diesen „ernsthaften Politikern geführt, die ihr Land durch ihre sachliche Politik ruiniert haben.


Als Reaktion haben daher viele für den Satiriker Jón Gnarr gestimmt, der in seinem Wahlprogramm den Kindern reale Eisbären im Zoo versprochen hat, damit sie einmal mehr erleben konnten als die mit Plastikbällen angefüllten Spielräume bei einem bekannten Möbelhaus.

Beide Beispiel, die große Wahlerfolge verbuchen konnten, lassen deutlich die Hintergründe erkennen, die zu einer Stimmabgabe für diesen Typ von Parteien führen. Es sind fast ausschließlich Reaktionen auf ein politisches System, das seine Glaubwürdigkeit verloren hat und dem man keine kompetenten Entscheidungen zum Wohl der Bürger zutraut. Die Wahl einer Satirepartei ist also eine gelbe Karte für die alten Spieler der Abgeordnetenrollen. Man könnte auch von einer neuen Turniermannschaft sprechen, die wieder Leben in eine seit Jahren abgesteckte Rangverteilung bringt, nachdem zuvor die Wahlberechtigten teilweise mit Ideenlosigkeit gelangweilt wurden und sich die Politik auf das Entertainment in Talkshows und den Kampf um attraktive Futtertröge reduziert hat. 



Die Jugendpartei „Die Partei“



Nach den wenigen Hinweisen auf die immer noch kleine Gemeinde der PARTEI-Wähler sind sie neben ihrer spezifischen Haltung gegenüber der Satire in der Politik durch ein ganz elementares demografisches Merkmal gekennzeichnet. Sie sind nicht nur deutlich jünger als der typische Wähler von CDU/CSU oder SPD sondern auch als der durchschnittliche deutsche

Wahlberechtigten. Das belegen die Jugend– und Schülerbefragungen, in denen die PARTEI zuletzt vor der Europawahl 2014 auf 2,8 % der abgegebenen Stimmen gekommen ist, womit sie vor der FDP und der AfD lag. Zu einem ähnlichen Resultat ist eine Untersuchung zur Kommunalwahl 2011 in Lübeck gekommen. Danach hatte die PARTEI in der Gruppe der 16 – 30-jährigen ihr bestes Ergebnis mit 5,1 %. (Pribnow)


Die PARTEI ist damit eine Jugendpartei, da keine Partei eine vergleichbar junge Wählerstruktur,besitzt. Dadurch ähnelt sie den Piraten, ein deutlicher Unterschied ist jedoch der nur geringfügig unterdurchschnittliche Frauenanteil, sodass man keinesfalls von einer „Männerpartei“ wie bei den Piraten sprechen kann.

Da sich die Anzahl der PARTEI-Wähler in den Altersheimen hingegen kaum von Null unterscheidet, wurde daraus eine Forderung im Programm zur Europawahl. Die PARTEI tritt für ein Wahlalter von 12 bis 52 ein, und weist auch damit auf zwei von den anderen Parteien nicht besonders gern angesprochene Themen hin: die Änderungen des Wahlalters, wenn sich etwa die SPD und die Grünen von jüngeren Wählern zusätzliche Stimmen versprechen, und das Problem einer alternden Gesellschaft, in der man sich die Frage stellen kann, ob demente 90-jährige kompetenter wählen können als 14-jährige aus Politikleistungskursen.



Zwischen Europa und der bayerischen Provinz




Auch wenn ein Mandat im Europaparlament für mehr Furore sorgt als der Einzug in einen Stadtrat, verdienen die kleinen Erfolge, die die PARTEI inzwischen in fast einem Dutzend Städte erreicht hat, Beachtung. Auf diese Weise erhalten die virtuellen Aktionen schließlich eine reale Basis, die vermutlich auch dann noch Bestand haben wird, wenn der Gang nach Europa demnächst durch ein geändertes Wahlrecht versperrt werden sollte.

Generell sind durch den Wegfall einer Sperrklausel die Chancen sehr günstig, da ein Wähleranteil von ca. einem Prozent fast immer zu einem Sitz in einem Stadtrat reicht, wenn ein wenig Glück beim Abrunden ein Bruchteil zu einem ganzen Sitz aufgestockt wird. Auf diese Weise können dann die Ideen der Wahlprogramme in ganz reale politische Anträge umgesetzt werden. Zudem bieten sich innerhalb der Stadträte viele Möglichkeiten, um die Aktivitäten der politischen Konkurrenz in der banalen Realität der Kommunalpolitik ganz unmittelbar satirisch aufzuarbeiten.


Diesseits und jenseits der Berliner Mauer


Eine traditionelle Hochburg der „Partei“ liegt in der Bundeshauptstadt, dem Sitz der PARTEI und Wohnort ihres Vorsitzenden. Dabei ist jedoch eine weitere räumliche Eingrenzung erforderlich. Nicht das gesamte Bundesland lässt sich so kennzeichnen, denn in den Villenvierteln im Grunewald und den Plattenbausiedlungen im Osten weichen die PARTEI-Anteile kaum vom Bundesdurchschnitt ab.

Das sieht vor allem im Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg anders aus, wo die Partei bei der Europawahl im Jahr 2014 3,8 % der Stimmen errungen hat. In einem Kreuzberger Stimmbezirk waren es sogar bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Jahr 2011 7,8 % der Erststimmen. Weitere etwa weniger ausgeprägte Hochburgen sind die Bezirke Mitte mit 2,4 % und Pankow 1,8 %.

Anteile von mehr als 5 % erfordern allerdings schon soziale und politische Strukturen, die nicht gerade durchschnittlich sind. Das illustriert sehr eindrucksvoll ein Blick auf den Stimmbezirk 03 311 in Kreuzberg. Dort im Quartier zwischen Oranien- und Abertstraße mit dem Club SO 36 haben die Wähler eine fast biblische Umkehr der Parteigrößen vorgenommen. Die Großen wurden klein und die Kleinen groß; denn waren nach den Erststimmen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus lagen nicht nur die PARTEI, sondern auch die Piraten und die Muslimpartei Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG), die der türkischen Regierungspartei AKP nahestehen soll, stärker als die CDU, die nur auf 3,1 % der Stimmen gekommen ist, ein Überholen also nicht sehr schwer gemacht hat.


Erststimmen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011 im Kreuzberger Stimmbezirk 03 311

Partei
Stimmbezirk 03 311
Berlin
SPD
11,0
31,2
CDU
3,1
25,6
Grüne
38,3
18,3
Linke
11,0
12,6
FDP
0,5
1,4
Piraten
16,9
5,0
BIG
8,5
0,3
PARTEI
7,9
0,5
Quelle: Berliner Wahlstatistik.


Das erste Mandat in der alten Hansestadt Lübeck



Ihren ersten der „größten Wahlerfolge seit Kriegsende“ errang die PARTEI in der schleswig-holsteinischen Hansestadt Lübeck mit ihrem Spitzenkandidaten Bastian Langbehn, wo sie mit einem Stimmenanteil von 1,3 % einen von 49 Sitzen in der Bürgerschaft gewann. Grundlage für den anschließenden „herrlichen Abend und eine wilde Nacht“ war die Arbeit der lokalen PARTEI-Vertreter, die in allen 25 Wahlkreisen eigene Kandidaten aufgestellt und damit Anteile zwischen 0,6 % und 2,5 % verbuchen konnten. In einigen lagen die Anteile sogar über 3 %,in Bugenhagen-Schule sogar bei 3,5 %.

Programmatisch will man eine Verlegung des Regierungssitzes von Kiel in die Königin der Hanse, die nach Hamburger Vorbild mit einer Trave-Philharmonie aufgewertet werden soll. Durch den Bau eines Rings von Windrädern verspricht man mehrdeutig „frische“ Luft in der Stadt, während die schlechte nach „drüben“ geblasen wird.

Mit diesem Programm wurden auch eine Maßnahme vorgesehen, die in zahlreichen anderen Städten aufgegriffen wurden. Stuttgart 21 scheint eine nachhaltige Wirkung zu entfalten. So sollen im Zuge des Projekts Schleswig-Holstein 21 Hauptbahnhöfe und der Lübecker Flughafen unter die Erde verlegt und durch ein ausgefeilte U-Bahnsystem miteinander verbunden werden.



                               DIE PARTEI in der Lübecker Bürgerschaft (Quelle: youtube)




Ein Erfolg ohne viel Satire in der Provinz: Dollnstein




Wie in vielen anderen Bereichen des sozialen Lebens auch, gibt es es bei den Wahlerfolgen der PARTEI eine Ausnahme, die bekanntlich angeblich die Regel bestätigen soll. Ihr bisher bestes Kommunalwahlergebnis erzielte die Satirepartei in der oberbayerischen Provinz, und zwar der in der Marktgemeinde Dollnstein im Altmühltal des Landkreises Eichstätt.


Bei der „Revolution an der Altmühl“, wie die Presse einen Bericht über das Ergebnis der Gemeindewahl 2014 überschrieb, kam das PARTEI-Team hinter CSU, SPD und den Freien Wählen mit beachtlichen 8,6 % auf den vierten Platz, wodurch ein Student auf der mit zehn Kandidaten gut besetzten Liste der PARTEI in den Gemeinderat einziehen konnte.

Auch wenn es in Dollnstein nur wenige Titanic-Leser geben dürfte, ist die PARTEI ganz bewusst bei ihrem satirischen Auftreten geblieben, auch wenn es nicht nicht jeder versteht und nicht jedem gefällt“, wie der Bürgermeisterkandidat betont, der sich selbst als „einfacher Handwerker“ sieht, der aber „die Satire liebt“.

Satirisch formuliert wurden so eher üblich Ziele der Kommunalpolitik wie eine Sparpolitik um das Haushaltsdefizit abzubauen, die stärkere Förderung eines vernachlässigten Gemeindeteils und die Ablehnung des Standorts für eine Müllverbrennungsanlage.



Viele Stimmen, keine Mandate hinter der Mauer: Dresden, Halle und Leipzig



Bei der Eurowahl 2014 konnte die PARTEI in ostdeutschen Großstädten deutlich besser abschneiden als in westdeutschen. Weniger erfreulich sah es jedoch bei den Kommunalwahlen aus, die in den ostdeutschen Ländern so auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt gleichzeitig stattfanden. Hier liegen die Anteile bei den Kommunalwahlen deutlich unter denen der Europawahl, die zu einem glatten Einzug in die Stadträte gesorgt hätten.


Der Grund waren jedoch nicht unattraktive Kommunalprogramme, sondern ein harter organisatorischer Grund. Die Anhänger der PARTEI konnte in vielen Fällen kein Kreuz an einer von ihnen gewünschten Stelle auf dem Stimmzettel machen, weil es diese Möglichkeit gar nicht gab. Die PARTEI hatte nur in einem Bruchteil der Wahlbezirken einen eigenen Kandidaten aufgestellt, während in anderen Stadtteilen niemand kandidierte und damit diese potenziellen Stimmen beim Ergebnis für die Gesamtstadt fehlen mussten.

Im Gesamtergebnis finden damit die teilweise sehr hohen Teilergebnisse in einigen Stadtteilen von Dresden und Leipzig keinen Niederschlag. Während aufgrund fehlender Kandidaturen die PARTEI in Dresden insgesamt 0,9 % erreichte, erzielte in sie in der teilweise alternativ geprägten Neustadt und vor allem im Hechtviertel deutlich bessere Ergebnisse.


Die Hochburg mit 9,6 % ist der Wahlbezirk Südvorstadt-Ost, wo wie in Kreuzberg die Grünen, die Piraten und die PARTEI deutlich überdurchschnittliche Werte erzielt haben, während die Stimmenanteile der ostdeutschen Großparteien CDU, SPD und Linke auf der Höhe der Piraten von knapp 14 % liegen. Die sonst in Sachsen und Dresden recht starke NPD kam hier nur auf 0,2 % der Stimmen.

Wahlergebnis der Europawahl 2014 in der Südvorstadt-Ost (Wundtstraße)

Partei
Anteil in %
Grüne
21,8
SPD
16,7
CDU
15,4
Piraten
13,9
Linke
13,0
Die PARTEI
9,6
AfD
4,8
FDP
3,6
Quelle: Wahlstatistik Dresden.


Nur wirkten sich diese Stärken in zahlreichen Quartieren unter dem Strich nicht aus, da sich die 0%-Anteile in vielen anderen Wahlbezirken dadurch nicht kompensieren ließen.


Kommunalwahlergebnisse 2014 in Sachsen und Sachsen-Anhalt

Stadt
Stadtratswahl
Europawahl
Größe des Stadtrats
Partei-Sitze
Dresden
0,9
1,8
70
-
Leipzig
1,1
1,9
70
-
Halle/ Saale
0,9
1,5
56
1
Quelle: Wahlstatistiken der drei Städte.



Ähnlich sah es in Leipzig aus, wo der Stimmenanteil für die Gesamtstadt, der nicht für einen Sitz im Stadtrat ausreichte, sogar 1,1 % betrug. Auch in dieser sächsischen Metropole lag die PARTEI in mehreren Ortsteilen über 5%. Dazu zählten Volksmersdorf mit 5,1 %, Connewitz mit 5,5 %; die Hochburg der Leipziger Grünen Plagwitz mit 5,6 % und Lindenau, das durch das Kunstzentrum der Leipziger Baumwollspinnerei bekannt ist, mit 5,3. Da die PARTEI wie in Dresden nicht überall präsent war, verhinderten diese Totalausfälle auch hier den Einzug in den Rat fehlten.

Mehr Rundungsglück hatte die PARTEI im sachsen-anhaltinischen Halle an der Saale, wo man mit 0,9 % der Stimmen einen Sitz im 56-köpfigen Stadtrat erhielt. Neben der Forderung des Wahlprogramms, das u.a mit der Selbständigkeit von Halle-Neustadt einen Teil des DDR-Erbes wiederherstellen wollte, war in statistischer Zufall für den Erfolg ausschlaggebend. Die anderen Parteien erzielten offenbar niedrigere Bruchteile für den letzten Sitz als die PARTEI. Damit geht dieses Mandat an einen Repräsentanten einer Politik, die auch Spaß einschließt.

Wie in Dresden und Leipzig liegen auch in Halle die Hochburgen in den eher alternativ geprägten Vierteln vor allem in der Altstadt, wo im Bereich des Herder-Gymnasiums ein Anteil von bis zu 4,2 % erreicht wurde. 

Das Zuteilungsverfahren des Wahlgesetzes hat also in Sachsen und Sachsen-Anhalt zu einer Mandatsverteilung geführt, die weniger von der Zahl der erzielten Stimmen als vom Zufall bei der Verteilung von den bruchteiligen Anrechten auf das letzte Ratsmandat abhing. Diese Vabanquespiele hätte die PARTEI durch Kandidaturen in allen W
ahlkreisen vermeiden können. Das gern in der Wahlwerbung angeführt Freibier könnte damit zu einem noch schlagkräftigeren politischen Argument werden, wenn man dadurch zu Kandidaten und Unterstützerunterschriften gelangt, die allerdings bei einem zu starken Drogeneinfluss nicht mehr gültig sein dürften.



Ein Stammtisch im Stadtrat: Tübingen



Eine ganz besondere Koalition ist die PARTEI in der Universitätsstadt Tübingen eingegangen, wo man - und das haben die Medien als erstmalig in Deutschland herausgestellt – eine Koalition mit dem Stammtisch „Unser Huhn“ eingegangen ist. Da Wahlergebnis von 2,3 % und einem Sitz in dem nur 40-köpfigen Gemeinderat hat diese Strategie bestätigt.

Ohnehin gibt es eindeutige personelle Verbindungen, da der ehemalige Titanic-Chefredakteur Oliver Maria Schmidt auch 1988 an der Gründung des Stammtisches nicht unbeteiligt war.

Zu den zentralen Punkten des Wahlprogramms, denen einige Tübinger Bürger leicht zurückhaltend gegenüberstanden, wie ein Video der PARTEI beweist, gehören die Errichtung eines Flughafens auf der Neckarinsel in der Altstadt gegenüber dem bekannten Hölderlin-Turm und eine Verlegung der Uni unter die Erde.

Bei einer wichtigen Klientelgruppe der PARTEI, den Schülern, soll die Forderung nach einer Schließung der Schulen auf großes Interesse gestoßen sein, da der Unterricht in Zukunft via i-Phone erfolgen soll.


Auch gegen hohe Mieten haben sich der Stammtisch und die PARTEI ein Rezept einfallen lassen. So will man in dem ökologischen Vorzeigequartier „Französisches Viertel“ ein atomares Endlage errichten, um damit die Immobilienpreise zu drücken und in diesem auch politisch grünen Gebiet eine „nachhaltige Protestkultur zu ermöglichen“. 



                                    Wahlprogrammin Tübingen (Quelle: youtube)



Ein Plätzchen in großen Stadträten: zwischen Essen und Karlsruhe


Aber auch ohne Koalitionspartner konnten parallel zur Europawahl erste Mandate in den Kommunalvertretungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen erobert werden. Im grün-rot regierten Ländle gelang das neben Tübingen auch in den Hochschulstädten Freiburg und Karlsruhe.


Die Anteile der „Partei“ bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg

Stadt
Kommunalwahl 2014
Europawahl 2014
Mandate der „Partei“
Freiburg
1,5
1,2
1 von 48
Karlsruhe
1,1
1,2
1 von 48
Tübingen
2,3
1,3
1 von 40
Quelle: Wahlstatistken der Städte.

In der nordbadischen Hochschulstadt konnte die PARTEI „nach nächtelangen Kneipentouren, alkoholisierten Anbiederungsversuchen und Betteleien“ die notwendigen Unterstützungsunterschriften sammeln und „trotz angeblich fehlender Ernsthaftigkeit zugelassen werden“. Damit waren die Voraussetzungen gegeben, um mit einem 7 Punkte-Programm zur Kommunalwahl anzutreten.

Darin fordert man für Karlsruhe die Verlegung der wichtigsten städtischen Einkaufsmeile unter die Erde. Auch will man Pendler aus der Pfalz an der Rheinbrücke mit einer Maut belegen, damit sie sich an der Finanzierung de Karlsruher Straßen beteiligen.

Für den ehemaligen Fußballbundesligisten KSC wird schließlich ein mobiles Stadion vorgeschlagen, das der jeweils erreichten Liga und der aktuellen Verkehrssituation in Karlsruhe von der Größe und vom Standort her angepasst werden kann.

Einen noch radikaleren Vorschlag hat die PARTEI in Freiburg zur Lösung der Stadionfrage für den Sportclub vorgelegt. Man will das nicht ganz unbekannte Münster wegen seiner hohen Renovierungskosten abreißen und als Kirche an den Stadtrand verlegen. Stattdessen soll im Zentrum der Breisgau-Metropole eine Fußballkathedrale entstehen.

In der durch die Universität und zahlreiche Forschungseinrichtungen geprägten ökologisch ausgerichteten Solarstadt Freiburg erreichte die PARTEI mit 1,5 % einen von 48 Sitzen im Gemeinderat. Schwerpunkt liegen dabei in den Bezirken Altstadt-Mitte und Altstadt-Ring, wo 3,2 bzw 3,5 % erreicht wurden. Außerhalb dieses innenstadtnahen Bereichs konnte auch im ökologisch ausgerichteten Neubauviertel Vauban mit 2,4 % ein überdurchschnittliches Ergebnis erreicht werden.


Die PARTEI in NRW


Nach einem abweichenden Muster scheint die PARTEI im größten Bundesland, also in Nordrhein-Westfalen, kommunale Wahlerfolge erzielt zu haben. Hier ist der Einzug in die Stadträte von Großstädten gelungen, die nicht durch ihre Universität oder andere Hochschulen geprägt sind, sondern sich eher mit den Problemen alten Industriestädte herumschlagen müssen Sie sind mit anderen Worten bisher nicht durch ein intellektuell-alternatives Milieu aufgefallen sind. So hat die PARTEI etwa in Münster, Bielefeld oder Bonn, also Städten mit hohen Anteilen von Studenten und Wählern der Grünen, nicht einmal kandidiert. Hier scheint noch die organisierte personelle Infrastruktur zu fehlen, die aus strukturellen Chancen ein zählbares Mandat macht.

Diese Diagnose lässt sich auch für die erfolglose Wahlbeteiligung etwa in Dortmund fortführen. Dort hat die PARTEI nur in ganz wenigen der rund 40 Wahlbezirke kandidiert, sodass auch 4,1 % in einem Wahlbezirk der Innenstadt nicht zu einem Mandat für den Stadtrat reichten.

Die nordrhein-westfälischen Wahlerfolge hängen somit vor allem von den personellen Zufällen bei der frühen Gründung von Ortsvereinen ab. Hier konnte also vor allem ein steter Tropfen die schweren Türen zu den Ratssälen geöffnet.


Das Abschneiden der PARTEI bei den Kommunal- und Europawahlen 2014 in NRW (Anteilswerte in %)

Stadt
Stimmen
Anteil Stadtrat
Anteil Europawahl
Sitze der „Partei“
Aachen
436
0,4
0,7

Dortmund
282
0,1
0,9

Essen
1545
0,8
0,9
1 von 82
Köln
534
0,1
0,9

Krefeld
947
1,2
0,8
1 von 58
Mönchengladbach
1093
1,2
0,9
1 von 68
Remscheid
46
0,1
0,6

QuelleMinisterium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.),
Kommunalwahlen 2014.


Das wird in Krefeld deutlich. Nachdem 2009 der PARTEI hier noch 0,27 Prozentpunkte gefehlt hatten, konnte man fünf Jahre später den Einzug ins Stadtparlament mit einem Anteil von 1,2 % feiern. Die höchsten Anteilswerte gab es im Bereich „Stephansplatz“ mit leicht über 2 % der Stimmen.

Ebenfalls das beste Ergebnis seit dem Kriegsende konnte die Essener PARTEI mit 0,8 % Stimmenanteil und einem Sitz im Stadtrat erzielen. Hochburg war hier Frohnhausen, ein zentrumsnahes älteren Wohngebiet, mit 2,4 % Wähleranteil.


In Mönchengladbach waren in Medien vor allem von einem „schrägen“ Programm beeindruckt, das den Gedanken der Wiederherstellung einer alten regionalen Spaltung – in diesem Fall jedoch ohne Mauerbau – auf die Abtrennung von Rheydt anwendet und sonst neben einem „ambientevollen“ Lustbad“ viel Sonne sowie die Abschaffung roter Ampeln und die Senkung der Bierpreise wahlkampftypisch verspricht.

Auch die Fußballfans, die in Mönchengladbach ausschließlich Borussen sein dürften, wurden nicht vergessen, denn für sie will die PARTEI für eine Bundesliga ohne Bayern München sorgen und damit für erheblich bessere Chancen der Borussia beim Kampf um einer erneute deutsche Meisterschaft nach einer langen, sehr langen fußballerischen Durststrecke.


Nicht überragende Ergebnisse in Hochburgen führten dann am 25. Mai in den Stadtrat, sondern sorgfältig organisierte Kandidaturen in über dreißig Wahlbezirken, sodass Resultate von 3,4 % in der City von Mönchengladbach und 3,2 % in der Innenstadt von Rheydt gemeinsamen mit zahlreichem Kleinvieh von unter einem Prozent in anderen Wahlbezirken ausreichten, gemeinsam zu 1,2 % bei der Stadtratswahl führten. Damit konnte sogar das Ergebnis der gleichzeitig stattfindenden Europawahl noch getoppt werden.

Jetzt versprechen sich die Wähler, wie sie in Foren erklären, von der ganz sachlich begründeten gemeinsamen Fraktion mit dem ebenfalls gewählten einzigen Piraten „viele Ansatzpunkte für Satire, vor allem, wenn es hierbei um Milchpöttchen oder kürzere Ratssitzungen zugunsten eines netten Fernsehabend geht.” Das gilt zumindest für „augenzwinkernde Kommentare“, die den Rat “bunter” machen.

Unter dem Pseudonym „Pardon“, das an einen Vorgänger der Satirezeitschrift Titanic erinnert, wird jedoch noch mehr erwartet. In einer Zeit, in der Spaß, Comedy und Kabarett florieren, soll die PARTEI mir ihrem „Quatsch“ den Finger in die Wunden legen, für die den anderen Parteien die Pflaster fehlen.

„Pardon“ freut sich daher auf die Arbeit der PARTEI in den Parlamenten, da er in einer Demokratie nicht erwartet, dass die anderen Parteien durch eine Änderung des Wahlrechts zu einem formaljuristischen Pflaster greifen, um sich nicht dieser Form einer Kritik stellen zu müssen.



Wahlwerbung in Mönchengladbach (Quelle: youtube)




Die PARTEI sozialräumlich


Da die PARTEI weiterhin nur vergleichsweise geringe Wähleranteile aufweist, obwohl sie sich selbst gern als „sehr gut“ bezeichnet und bereits von der „Machtübernahme“ träumt, wird sie in vielen Wahlanalysen weiterhin unter „Sonstige“ vergessen. Um eine tiefere Analyse der sozialräumlichen Struktur ihrer Wähler zu erhalten, muss man sich daher auf die Daten der wenigen Städte konzentrieren, die die PARTEI in ihren Veröffentlichungen überhaupt ausweisen und gleichzeitig wichtige Strukturindikatoren auf derselben räumlichen Ebene zur Verfügung stellen.

Solche Informationen liegen für Bremen und München vor.

In Bremen lässt sich die mit der Bundestagswahl 2009 begonnene Sozialraumanalyse der Wahldaten auch für die Europawahl 2014 weiterführen. Dabei zeigen sich für die fast homöopathischen Anteilswerte der PARTEI, zwar absolut nur geringe Unterschiede zwischen den Sozialraumtypen, die allerdings relativ sehr groß sind. So erzielt die PARTEI in ihren Hochburgen Werte, die beim Vierfachen städtischer Durchschnitte liege. Das sind relative Unterschiede, die man kaum bei anderen Parteien findet, auch wenn es sich dabei absolut nur um Abstände von vielleicht gut zwei Prozentpunkten handelt.

Nach diesen Daten der Stadt Bremen findet man Wähler der PARTEI vor allem in den innenstadtnahen Altbaugebieten, wo auch die Grünen, die Piraten und zum Teil auch die „Linke“ besonders hohe Anteile erreichen. So gaben etwa in einem Stimmbezirk des Ortsteils „Steintor“ 5,3 % der Wähler ihre Stimme der PARTEI. Damit bildet die PARTEI gemeinsam mit diesen weniger satirischen Parteien im alternativen Milieu den Gegenpol zu CDU, FDP und auch AfD, deren Hochburgen in Quartieren liegen, die von den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte weniger stark verändert worden sind. Das sind vor allem Gebiete, in denen viele ältere Menschen und wenige Ausländer leben. Hier kommt die Partei nur auf einen unterdurchschnittlichen Anteil von 0,4 %.



Wähleranteile in ausgewählten Bremer Sozialräumen (1) 2014 (Angaben in %)

Partei
WiN-Gebiete
Single-Gebiete
Gebiete mit wenigen Ausländern
Gebiete mit hohem soziale Status
Gebiete mit vielen alten Menschen
SPD
43,1
25,2
34,3
26,6
34,4
CDU
18,5
10,9
31,3
26,8
27,5
Grüne
9,5
31,8
14,5
23,7
15,1
FDP
1,8
1,9
3,6
6,4
4,4
Linke
12,5
17,3
5
7,1
6,2
Piraten
2,2
3,5
1,1
1,6
1,3
AfD
6,5
3
6,8
4,7
7,5
Tierschutz
1,3
1,9
0,9
1
1,1
NPD
1,1
0,3
0,5
0,1
0,4
Die Partei
1
2,5
0,5
0,8
0,4







Wahlbeteiligung
26
49,3
49,4
59,8
47,2
(1) Zu den betrachteten Typen und den benutzten Ortsteilen vergleiche den entsprechen Blogartikel „Die Bundestagswahl 2013 in den Bremer Sozialräumen“)




Diese Zahlen werden durch die ökologischen Korrelationen bestätigt, die sich mithilfe des Wahlatlas der Stadt München ermitteln lassen.

Danach bestehen hohe Korrelationen zwischen dem Wähleranteil der „Partei
“ und den Strukturindikatoren, die für innenstadtnahen Altbaugebiete mit ihrer Alternativkultur typisch sind, also mit einem hohen Anteil von Ledigen oder Singles, Einwohnern im Alter zwischen 25 und 44 sowie einer geringen Wohndauer. Mit den Indikatoren für den Transferstatus, also die Arbeitslosenquote und den Anteil der Harz IV-Bezieher besteht hingegen kein Zusammenhang. In sozial benachteiligten Gebieten findet eine Satirepartei eben kaum Wähler.

Damit werden die Bremer Ergebnisse in München bestätigt. Es scheint also ein einheitliches sozialräumliches Verteilungsmuster für die Wähler der PARTEI zu geben.


Ökologische Korrelationen bei der Europawahl 2014 in München (Stadtteile)

Sozialindikator
Die Partei
Einwohner
Deutsche
-0,42
EU-Ausländer
0,73
Nicht-EU-Ausländer
0,07
Migrationshintergrund
0,15
Ledige
0,78
Verheiratete
-0,78
Wahlberechtigte

Deutsche
-0,65
EU-Ausländer
0,65
18 - 24
0,07
25 - 34
0,82
35 - 44
0,64
45 - 59
-0,61
60 und mehr
-0,81
Einpersonenhaushalte
0,72
Haushalte mit Kindern
-0,62
Durchschnittl. Wohndauer
-0,73
Beschäftigtendichte
0,14
Arbeitslosendichte
0,06
Hartz IV-Empfänger-Dichte
-0,13
Anmerkung: Die Indikatoren beziehen sich entweder auf alle "Einwohner" oder nur auf die "Wahlberechtigten".


Die Ähnlichkeit der PARTEI mit anderen Parteien


Die Interkorrelationen zwischen den Parteianteilen, die die sozialräumliche Ähnlichkeit misst, bestätigen ebenfalls die Bremer Aussagen. Der Anteil der „Partei“ korreliert positiv mit dem von Grünen, Linker und Piraten, während er für die CSU und die AfD in absolut gleicher Höhe negativ ist. Mit der SPD und der FDP besteht hingegen kein Zusammenhang. Ähnlich sieht es bei der Höhe de Wahlbeteiligung aus, auch wenn de Anteile der „Partei“ in Gebieten mit niedriger Wahlbeteiligung eher höher liegen. Dafür dürften vor allem die hohen Wahlbeteiligungen in den klassischen bürgerlichen Quartieren verantwortlich sein, wo nur wenige PARTEI-Wähler leben. Eine Satirepartei ist schließlich nichts für jeden Wahlberechtigten, manche verstehen die Programmpunkte nicht und andere wollen keine demokratische Wahl durch angebliche Mätzchen von Komikern entwertet sehen.

Interkorrelationen der Anteile der PARTEI mit anderen Parteien (München, Europawahl 2014)

Raumeinheit
CSU
AfD
SPD
FDP
Grüne
Linke
Piraten
Wahlbezirke
-0,36
-0,22
-0,09
-0,07
0,29
0,24
0,24
Stadtbezirke
-0,89
-0,75
-0,02
0,1
0,86
0,87
0,77
Anmerkung: Korrelationen auf der Basis der geringen Zahl von "Stadtbezirken" sind aus statistischen Gründen größer als die der zahlreicheren "Wahlbezirke". Für die Auswertung ist daher weniger die absolute Höhe als die Richtung und die relative Größe der Koeffzienten ausschlaggebend.

Quellen:

Pribnow, Rolf, Wahlanalyse der TMS zur Kommunalwahl 2013, Lübeck vom 3.6.2013.

Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), Kommunalwahlen 2014. Vorläufiges Ergebnis der Wahlen am 25. Mai 2014 in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2014 (Heft 2.1)


Weiterhin wurden ergänzend zu den mit Links verbundenen Beiträgen die kommunalen wahlstatistischen Webseiten der angesprochenen Orte sowie die entsprechenden lokalen Auftritte der PARTEI unter www.die-partei.de und bei Facebook herangezogen.

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