Mittwoch, 25. September 2013

Wahl 2013: Details


Die Bundestagswahl 2013 in den Bremer Sozialräumen


Teil II:


Bremen-Nord und Bremen wählten 2013 anders als der große Rest der Republik

 



Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl am 22. September nimmt die Bremer SPD weiterhin ihren Spitzenplatz unter den Bundesländern in Deutschland ein. Ja, sie konnte ihn sogar durch einen Gewinn, der entgegen dem Bundestrend über dem der CDU lag, noch ausbauen.
Dasselbe gilt eingeschränkt auch für die Linke, allerdings nur bezogen auf die alte Bundesrepublik und nicht den Trend. Sie rangieren auch nach dieser Wahl auf Rang eins unter den westlichen Bundesländern. Die Grünen liegen in einer ihrer alten Hochburgen hingegen nur noch auf Platz drei hinter Berlin und Hamburg.

Auf der anderen Seite erreichte die CDU t
rotz der Zugewinne ein Landesergebnis, das nur noch in Berlin geringfügig schlechter ist. Ähnlich sieht es bei der FDP und der AfD aus.

Damit blieben die Relationen zwischen den Parteien zwar relativ stabil. Allerdings zeigten sich deutliche Abweichungen vom Bundesdurchschnitt, sodass die Journalisten von Radio Bremen sogar titelten „Bremer Ergebnisse entgegen dem Bundestrend“.



Das Land Bremen und die alten Bundesländer im Vergleich

Partei
Anteil 2013 in % im Bund (alt)
Anteil 2013 in % in Bremen
Veränderung
gegenüber 2009
im Bund
Veränderung
gegenüber 2009
in Bremen
CDU/ CSU
42,2
29,3
+7,6
+5,4
SPD
27,4
35,6
+3,3
+5,4
Linke
5,6
10,1
-2,7
-4,2
Grüne
9,2
12,1
-2,3
-3,3
FDP
5,2
3,4
-10,2
-7,2
AfD
4,4
3,7
+4,4
+3,7
Piraten
2,1
2,6
+0,1
+0,2
QuelleStat. Landesamt Bremen


Bremen-Nord und die Stadt Bremen im Vergleich 



Allerdings gibt es in einer Stadt, die fast die Größe eines Bundeslandes besitzt, große Unterschiede zwischen den Stadtbezirken und noch mehr zwischen den einzelnen Ortsteilen. Das gilt vor allem auch für Bremen-Nord.


Betrachtet man den Anteil der CDU, folgt hier Bremen-Nord stärker dem starken positiven Bundestrend als das übrige Bremen, was sich zumindest teilweise aus den hohen Verlusten der FDP als Austausch im rechten Lager erklären dürfte. Abweichend sind ebenfalls die höheren Verluste der Linken und die Zugewinne der kleinen Parteien, die nach allen Prognosen praktisch keine Chance auf einen Einzug in der Bundestag hatten. Man kann ihre Wahl daher vermutlich zumindest teilweise als eine gegenüber der Wahlenthaltung andere Form des Protests gegen das bestehende parlamentarische System interpretieren.

Die Entwicklungen in Bremen-Nord und Bremen zwischen 2009 und 2013 in %
Partei
Anteil in Bremen-Nord 2013
Veränderung in Bremen- Nord
Veränderung in Bremen
Wahlbeteiligung
66,3
-1,9
-1,5
SPD
37,9
5,2
5,2
CDU
31,2
6,2
5,4
Grüne
8,9
-2,6
-3,3
FDP
3,0
-7,6
-7,2
Linke
8,4
-5,7
-4,0
Sonstige
10,6
5,5
3,9
Quelle: Stat. Landesamt Bremen


Die Bedeutung von Alter und Geschlecht in Bremen

Auch für diese Wahl wurden in einigen Bremer Wahllokalen die Stimmen getrennt nach dem Geschlecht und einigen Altersklassen der Wähler erfasst und ausgewertet.

Auf den generellen Trend einer teilweisen Korrektur der Ergebnisse von 2009, die durch die damalige Große Koalition und die noch nicht sehr lange zurückliegende Agenda-Politik zurückzuführen sind, lassen sich beim Merkmal Geschlecht feststellen. Hier wurde die SPD – wenn auch recht knapp zu einer „Männerpartei“, was vermutlich auf die besonders hohen Verluste der Linken bei den männlichen Wählern zurückzuführen ist. Die CDU und die Grünen blieben hingegen weiterhin „Frauenparteien“.



Parteipräferenzen (in % der Zweitstimmen) nach dem Geschlecht 2013 in Bremen
Partei Männer
Männer
Frauen
Frauen

2009
2013
2009
2013
SPD
29,7
35,9
31,4
35,3
CDU/CSU
20,7
24,6
25,0
29,3
Grüne
14,1
10,9
17,1
13,3
Linke
16,4
12,7
12,0
11,0
FDP
10,7
3,5
10,2
2,7
Sonstige
8,4
12,2
4,3
8,4
Quellen: Habig  2009, S. 36 und Habig 2013, S. 30


Weitere Aufschlüsse über das Wahlverhalten verschiedener demografischer Gruppen lassen sich aus den Trends in verschiedenen Altergruppen ableiten.



Parteipräferenzen (in % der Zweitstimmen) nach dem Alter 2009 in Bremen



Partei
18 – 25 Jahre
25 – 35 Jahre
35 – 45 Jahre
45 – 60 Jahre
60 und mehr Jahre
SPD
23,2
25,7
28,7
27,9
37,6
CDU
17,2
18,2
16,3
18,8
32,9
Grüne
22,8
22,2
22,3
17,4
6,4
Linke
14,7
11,7
15,2
21,2
8,8
FDP
9,6
12,9
9,9
9,8
10,4
Sonstige
12,3
9,4
7,5
5,0
3,9
Quelle: Habig 2009, S. 36.


Durch diese Auswertung stellt sich heraus, dass die Gesamttrends für die Parteien nicht in allen Altersgruppen in ähnlicher Weise festzustellen sind. Das gilt nicht nur für die älteren Wähler, die üblicherweise nicht gerade das größte Kontingent unter den Wechselwählern stellen. Dabei ist bei dieser Wahl allerdings ein Vergleich mit der Auswertung für 2009 erschwert, da die Statistiker jetzt die Wähler über 60 Jahren in zwei Gruppen aufgeteilt haben, wobei das 70. Lebensjahr die Grenze ist.

Unter den Bremer Wahlgewinnern konnte die SPD nach diesen Zahlen besonders bei den 18- 25-jährigen zulegen, und zwar um mehr als 8 Prozentpunkte, während die CDU die größten Gewinne unter den 35-45-jährigen hatte. Auch hier betrug der Zuwachs über 8 Prozentpunkte. Damit haben sich allerdings die Altersstrukturen der Wähler dieser beiden großen Parteien nicht wesentlich verschoben, da sie weiterhin ihre höchsten Anteile unter den 60-70-jährigen und vor allem der neuen Kategorie der über 70-jährigen besitzen. Hier erreicht die SPD sogar 40 % und die CDU 35,5 %, womit die Differenz deutlich geringer ist als unter den 45-60-jährigen, wo sie über 12 Prozentpunkte beträgt.

Bei den drei kleineren Parteien Grüne, Linke und FDP fallen einerseits die besonders hohen Verluste der Linken unten den 45-60-jährigen auf, die 5,6 Prozentpunkte betragen, und andererseits das vergleichsweise gute Abschneiden der FDP unter den 18-25-jährigen, die hier 2013 mit 4,6% ihr bestes Ergebnis unter allen Altersklassen erreicht hat.

Allerdings fällt auf, dass die jüngeren Wähler besonders häufig kleinen Parteien ihre Stimme gegeben haben, denn der Anteil der „Sonstigen“ beträgt unter den 18-25-jährigen 18,2 % und unter den 25-35-jährigen 17,2 %; sie sind hier also insgesamt stärker als die Grünen, die bei den 18- 25-jährigen mit über 8 Prozentpunkte besonders deutliche Einbußen verzeichnen mussten.


Parteipräferenzen (in % der Zweitstimmen) nach dem Alter 2013 in Bremen


Partei 18 – 25 Jahre 25 – 35 Jahre 35 – 45 Jahre 45 – 60 Jahre
60 – 70
Jahre
70 und
mehr Jahre
SPD
31,3
30,0
31,6
34,1
39,9
40,2
CDU
19,6
23,4
24,6
21,9
27,6
35,5
Grüne
14,1
15,6
14,7
16,1
10,1
6,8
Linke
12,1
11,1
11,4
15,6
12,4
8,8
FDP
4,6
2,6
2,5
2,4
3,5
3,7
Sonstige
18,3
17,2
15,2
9,9
6,6
5,0
Quelle : Habig 2013, S. 30


Die Entwicklung in den Bremer Sozialräumen


Zumindest ein Teil der Unterschiede in Bremen-Nord und Bremen gegenüber dem deutschen Gesamtergebnis lässt sich aus der abweichenden Entwicklung in verschiedenen Sozialräumen erklären, wie sie für Metropolen, aber nicht für Mittelstädte oder das platte Land typisch sind.

Ganz grob gesehen hat sich beim Wahlverhalten in Bremen zwischen 2009 und 2013 nur wenig bei den sozialraumspezifischen Schwerpunkten der Parteien geändert, wie die folgende Tabelle zeigt, die methodisch den Zuordungen für 2009 entspricht, um eine Vergleichbarkeit sicherzustellen.

Die SPD hat weiterhin ihre Hochburgen in den WiN-Gebieten, während die CDU hohe Werte in Quartieren erzielt, in den Menschen leben, die von den Folgen der Globalisierung weniger betroffen sind. Das gilt nicht nur für Gebiete mit einem hohen sozialen Status, sondern auch für Quartiere, in denen relativ wenige Ausländer leben.

Stark ist sie auch in Gebieten mit relativ vielen Kindern, die keine Hartz IV-Leistungen beziehen müssen, also in den klassischen suburbanen Wohngebieten im Grünen, wo jungen Familien ihre Kinder aufziehen, aber auch in Gebieten, in denen relativ Rentner leben, die aktuell von der Folgen des demografischen Wandels, prekären Arbeitsverhältnissen und einem Niedriglohnsektor kaum betroffen sind. 

Etwas stärkere Veränderungen gab es durch die Verlusten bei den drei kleinen Parteien, die 2009 viele Wähler gewonnen hatten, die mit der Großen Koalition unzufrieden waren, in der die beteiligten Parteien an Profil verloren hatten.

Dadurch haben die Grünen jetzt neben ihrer Hochburg in den innenstadtnahen Altbaugebieten eine starke Position in Quartieren mit einem hohen sozialen Status behalten. Dasselbe gilt für die FDP, die in Bremen jetzt praktisch nur noch in diesem Gebietstyp mehr als die über das po
litische Sein entscheidenden 5% erzielte. Die Linken schließlich haben vor allem in den sozial benachteiligten Gebieten mit vielen Hartz IV-Beziehern deutlich verloren, sodass ihre neuen Hochburgen dort liegen, wo die Grünen kräftig einbüßten, und zwar in den alternativen Vierteln am Innenstadtrand, wo man besonders viele Single-Haushalte findet.


Die Stimmenanteile in den Bremer Sozialräumen 2013 in %

Sozialräume
Beispiele in HB-Nord
SPD
CDU
Grüne
FDP
Linke
WiN-Gebiete
Grohn, Lüssum
44,2
24,1
7,0
2,2
11,8
Großsiedlungen
Grohn, Lüssum
40,2
29,7
6,3
2,8
11,2
Ehem. Arbeiterquartiere
(Blumenthal)
45,5
21,9
7,3
1,9
11,7







Hoher sozialer Status
St. Magnus
27,8
35,5
17,3
6,5
7,2
Niedriger sozialer Status
(Grohn)
37,7
21,6
12,5
2,9
14,3







Hoher familialer Status
(Blumenthal, Grohn)
31,3
41,9
7,9
6,5
5,6
Niedriger familialer Status
-
30,8
26,4
16,5
4,3
11,5
Viele Single-Haushalte
-
30,7
18,0
22,2
2,5
16,9
Viele alte Menschen
Lesum, St. Magnus
33,7
35,6
11,2
4,4
7,2







Hoher Ausländerstatus
Grohn
34,9
24,5
14,4
4,1
11,7
Niedriger Ausländerstatus
Farge, Lesum, Rekum, Rönnebeck, St. Magnus


32,8
39,4
10,1
4,2
5,9


Die Veränderungen zwischen den beiden letzen Bundestagswahlen werden noch deutlicher, wenn man nur die Veränderungen in den verschiedenen Sozialräumen betrachtet.

Dabei lässt sich für die beiden großen Parteien und Wahlgewinner in Bremen eine klare Tendenz erkennen. Sowohl die SPD als auch die CDU haben in ihren eigenen Hochburgen deutlich stärker gewonnen als in denen ihres wichtigsten Konkurrenten, sodass sich die sozialräumliche Differenzierung der Stadt beim Wahlverhalten deutlich verstärkt hat.

Ein großer Teil des Bremer SPD-Erfolgs resultiert daher aus dem erheblichen Gewicht, das hier die WiN-Gebiete besitzen, in denen über 40 % der Einwohnern leben, während in eher ländlich oder mittelstädtisch geprägten Regionen dieser Sozialraumtyp gar nicht existiert, und zwar auch nicht unter einem anderen Namen.

Besonderheiten der drei kleineren bisher im Bundestag vertretenen Parteien sind die starken Verluste der Grünen in ihren Hochburgen, wobei allerdings hier die besonders hohen alten Anteilswerte als Ausgangsniveau berücksichtigt werden müssen, und die unterschiedlich hohen Verluste der Linken, die in den WiN-Gebieten und Quartieren mit einem niedrigen sozialen Status sehr deutlich über den in den alternativen Vierteln liegen. Die FDP schließlich hat überall viele Stimmen abgeben müssen, wobei die Höhe der verlorenen Prozentpunkte vor allem von der ehemaligen Stärke abhängt.



Veränderung der Wähleranteile in den Sozialräumen zwischen 2009 und 2013 in Prozentpunkten

Sozialräume
SPD

CDU

Grüne
FDP
Linke
WiN-Gebiete
+8,2
 +3,4
 -3,3
-5,5
-6,6
Großsiedlungen
+ 6,6
+3,6
-2,7
-5,9
-5,5
Ehem. Arbeiterquartiere
+8,5
+4,9
-3,4 
-6,2
-7,3






Hoher sozialer Status
+5,9
+5,7
-3,9
-9,6
-0,8
Niedriger sozialer Status
+5,5
-3,5
-4,0
-5,5
-5,7






Hoher familialer Status
+2,7
+7,6
 -2,2
-7,8
-4,0
Niedriger familialer Status
+6,1
+4,2
-3,9
-7,2
-3,0 
Viele Single-Haushalte
+6,7
+3,4
-6,7
-4,7
-2,2
Viele alte Menschen
+0,5
+10,1
 -2,0
-5,3
-6,8






Hoher Ausländerstatus
+6,4
+3,3
 -3,2
-6,2
-4,4
Niedriger Ausländerstatus
+3,4
+7,6
-2,0
-8,4
-4,3


Wie bereits in der Analyse für 2009 lassen sich diese sozialräumlichen Aussagen durch die Betrachtung der ökologischen Korrelationen zwischen den Wähleranteilen der Parteien und einigen Strukturmerkmalen absichern, die auch zur Definition der Sozialräume herangezogen werden.

Diese Korrelationskoeffizienten belegen den sehr engen Zusammenhang zwischen den SPD-Anteilen und verschiedenen Indikatoren für die soziale Schicht, die von dem Anteil der Kinder, die Gymnasien besuchen, bis zur Zahl der Empfänger von Transferleistungen reicht. Damit wird die These von der SPD als Partei der WiN-Gebiete auch für 2013 bestätigt.


Die CDU ist zumindest in Bremen keineswegs das direkte Gegenstück zu dieser Position im sozialen Spektrum; denn ihre stärksten Korrelationen treten nicht bei diesen Merkmalen für den sozialen Status auf, sondern bei den für den familalen Status. Dazu gehört vor allem die Haushalts- und Altersstruktur sowie die damit zumindest teilweise verbundene Wohnungsgröße. Erst auf einem folgenden Rangplatz findet man dann die zur SPD entgegengesetzten Indikatoren für den sozialen Status.

Diese Merkmale sind hingegen ganz entscheidend für die verbliebenen Wähler der FDP, die man vor allem in Ortsteilen findet, die viele Gymnasiasten und ein hohes Jahreseinkommen der Bewohner aufweisen.


Die Grünen sind weiterhin vor allem in Quartieren mit vielen Einpersonenhaushalten stark, in denen wenige Kinder und Jugendliche, aber auch Einwohner im Rentenalter leben.

Die hohen Korrelationen mit diesen Indikatoren für einen eher alternativen Beziehungsstil trifft auch für die Linke zu, die gleichzeitig bei den Merkmalen für den sozialen Status eine große Ähnlichkeit mit der SPD besitzt. Sie stellt in Bremen gegenwärtig von ihrer sozialräumlichen Struktur her eine Kombination von SPD und Grünen dar.


Ökologische Korrelationen zwischen den Anteilen der Parteien und der Wähler 2013 sowie den Strukturmerkmalen 2012




Strukturmerkmal (Anteilswerte in % 2012)
SPD
CDU
Grüne
FDP
Linke
Unter 18jährige (Anteil)
0,39
0,22
-0,54
-0,14
-0,33
18 – 65jährige (Anteil)
-0,32
-0,49
0,68
-0,10
0,55
Über 65jährige (Anteil)
0,15
0,44
-0,47
0,19
-0,45
Wohndauer der über 18jährige
0,14
0,30
-0,35
-0,03
-0,26
Bevölkerung mit Migrationshintergrund
0,52
-0,27
-0,36
-0,33
0,21
Umzüge je 100 Einwohner
-0,29
-0,43
0,59
-0,07
0,46
Einpersonenhaushalte (Anteil)
-0,21
-0,66
0,71
-0,06
0,70
Haushalte mit Kindern (Anteil)
0,28
0,41
-0,58
-0,04
-0,49
Sek I an Gymnasien
-0,71
0,59
0,28
0,75
-0,52
Arbeitslosenziffer
0,64
-0,58
-0,22
-0,53
0,46
SGB II-Leistungen (Anteil)
0,72
-0,44
-0,41
-0,55
0,33
Jahreseinkommen 2007
-0,69
0,56
0,30
0,70
-0,52
Einfamilienhäuser (Anteil an
0,13
0,46
-0,47
0,04
-0,45
Durchschnittliche Wohnungsgröße
-0,40
0,82
-0,25
0,54
-0,76

Die Erosion der grünen Hochburgen am Innenstadtrand


Eine auffallende Entwicklung der Bundestagswahl 2013 waren die überdurchschnittlich hohen Verluste der Grünen in dem für sie typischen Sozialraum, den Ortsteilen am Cityrand, in denen besonders viele Singlehaushalte zu finden sind. In diesen Vierteln, die durch einen „alternativen“ Lebensstil gekennzeichnet sind, der sich nicht nur in einer ökologischen Lebensweise ausdrückt, sondern auch in nur wenigen in einem Haushalt lebenden Partnerschaften mit Kindern, wurde 2009 durch deutliche Gewinne von der SPD zur stärksten Partei.

Ein Teil dieser Wähler scheint jetzt zu ihrer alten Partei wieder zurückgekehrt zu sein, nachdem die SPD ihr oppositionelles Profil nach dem Ende der großen Koalition schärfen konnte.


Entwicklung in Hochburgen der Grünen zwischen 2009 und 2013

  
Ortsteil
Anteil der Grünen 2009
Veränder-
ung der
Grünen
Verände-rung der
SPD
Verände-rung der
Linken
Verände-rung der
Piraten
Verände-
rung der CDU
Fesenfeld
45,2
-6,5
5,8
-0,3
-0,9
3,0
Steintor
44,9
-11,9
7,1
-2,3
-0,6
6,3
Ostertor
43,1
-7,1
6,9
-1,2
-0,2
2,4
Neustadt
36,8
-4,1
6,2
-2,4
-0,6
2,9
Buntentor
36,1
-7,0
6,9
-2,6
0,3
4,0
Barkhof
35,2
-3,5
4,0
-0,4
0,1
5,5
Südervorstadt
33,8
-3,0
5,5
-3,8
-1,0
3,1
Finndorf
33,5
-6,9
5,9
1,0
-0,2
4,2
Gete
32,9
-4,1
3,3
-1,2
0,1
6,5
Regensburger Str.
32,5
-3,5
4,9
-2,0
0,1
2,7
Grüne Hochburgen (Durchschnitt)
37,4
-5,8
5,7
-1,5
-0,3
4,1
Bremen insgesamt
14,4
-3,3
5,5
-4,2
0,2
5,4

Sozialräumliche Ähnlichkeit der Parteien


Die These von einer gewachsenen Polarisierung der beiden Großen Parteien im Hinblick auf die sozialräumliche Verteilung ihrer Wähler lässt sich mithilfe der ökologischen Korrelationskoeffizienten zwischen den beiden Parteien prüfen. Da sich in den Bremer Sozialräumen die Anteile der beiden Parteien nur bedingt ausgleichen, ist dabei generell nicht von sehr hohen Korrelationen auszugehen, wie es zu erwarten wäre, wenn die einfachen Aussagen der Wahlkampfrhetorik zu treffen würden. Das ist jedoch nicht der Fall; denn die SPD wird nicht nur in den „armen“ und die CDU in den „reichen“ Vierteln gewählt, zumal die CDU-Hochburgen sich ohnehin stärker durch einen hohen familialen Status und einen niedrigen Ausländerstatus auszeichnen.

Diesen Sachverhalt drückt der Korrelationskoeffizient mit dem Wert –0,24 aus. Sein jetziges Absinken auf –0,41 dokumentiert den Grad der stärken sozialräumlichen Segregation der Wähler, die durch die Bundestagswahl 2013 erfolgte.

Auch wenn dieser Trend damit besteht, sind andere Koeffizienten deutlich höher. Das gilt beispielsweise für die verbliebenen FDP-Wähler, die sich fast diametral zu den SPD-Wählen über das Stadtgebiet verteilen, sodass hier eher das Arm-reich-Bild zutrifft.

Auffallend hoch sind auch die allerdings negativen Zusammenhänge zwischen der SPD und den Grünen. Beide Parteien ergänzen damit ihre Schwerpunkte, sodass auf diese Weise das Konkurrenzverhältnis im linken Lager reduziert ist, da beide Parteien zunächst unterschiedliche Klientelgruppen ansprechen und erst später in einer Koalition verbinden wollen.


Ökologische Korrelationen zwischen der Anteilen der SPD und denen der ...

Partei2009
2013
CDU
-0,24
-0,41
Grüne
-0,67
-0,60
FDP
-0,44
-0,74
Linke
0,31
0,17
Piraten
-0,18
-0,02


Neben der größeren Polarisierung von SPD und CDU wurde in den bisherigen Auswertungen ein verändertes Profil der Linken als weitere zentrales Ergebnis der 2013er Wahl erkennbar.

Auch hier können Interkorrelationen zwischen den Parteianteilen die These mit ganz wenigen Zahlen bestätigen. So bestand 2009 praktisch kein Zusammenhang zwischen der Verteilung der Stimmen für die Grünen und für die Linke, während jetzt eine Korrelation von 0,51 besteht und gleichzeitig die mit der SPD von 0,31 auf 0,17 gefallen ist. Die Linke ähnelt in ihrer Wählerverteilung daher kaum noch der SPD, während zu den Grünen eine relativ große Ähnlichkeit entstanden ist.



Ökologische Korrelationen zwischen der Anteilen der Grünen und denen der ..


Partei
2009
2013
CDU
-0,48
-0,43
FDP
0,06
0,17
Linke
-0,07
 0,51
Piraten
0,57
0,44



Quellen:


Drieling, Regina, Bundestagswahl. Bremer Wähler ticken anders, in: BLV vom 25.9.2013.

Forschungsgruppe Wahlen, Wahlanalyse Bundestagswahl, auf: www.zdf.de. 

Habig, Markus, Wahlverhalten in der Stadt Bremen nach Alter und Geschlecht, Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik, in: Statistische Mitteilungen, Heft 112, Bremen 2009, S. 32 – 38.


Ders., Wahlverhalten in der Stadt Bremen nach Alter und Geschlecht. Ergebnisse der repräsentativen Bundeswahlstatistik, in : Statistische Mitteilungen 115, Bremen 2013, S. 25 – 33. 

Labatzke, Susanne, Wenig Wahlbeteiligung. Zwei Frauen aus der Region schaffen den Sprung in die Hauptstadt, in: Weser Report vom 25. 9.2013.

Lüdecke, Matthias, Wie Bremen gewählt hat, in: Weser-Kurier vom 24.9.2013.

Radio Bremen, Bundestagswahl 2013. Bremer Ergebnisse entgegen dem Bundestrend, auf: www.radiobremen.de .

Rose, David, Wahlergebnis in der Analyse. Wer wählte was warum?, auf: www.tagesschau.de


Stat. Landsamt Bremen (Hg.), Bundestagswahl am 22. September 2013 im Land Bremen. Vorläufiges Wahlergebnis, in: Statistische Mitteilungen 115, Bremen 2013. 

Theiner, Jürgen, Vom Beirat in den Bundestag, in: Weser-Kurier vom 24.9.2013.

Wolschner, Klaus, Die Bundestagswahl in Bremen. Die SPD überzeugte 24 Prozent, in taz vom 23.9.2013



Mein besonderer Dank gilt dem Stat. Landesamt Bremen, das mit seinem „Wahlatlas“ ein Angebot an kleinräumigen Daten zur Verfügung stellt, das in Deutschland seinesgleichen sucht.





Anhang:


Die Bundestagswahl 2013 in Blumenthal und Bremen-Nord (Zahlen in %)


Ortsteil
Wahlbe-teiligung
+/-
SPD
+/-
CDU
+/-
Grüne
+/-
FDP
+/-
Linke
+/-
Sons-
tige

Blumenthal














Blumenthal
60,6
-2,8
38,5
7,0
30,7
4,8
7,5
-1,7
1,9
-7,6
8,9
-7,1
12,5
Farge
67,8
-0,9
39,0
5,1
32,3
9,1
6,2
-2,8
2,3
-8,6
8,5
-6,4
11,7
Lüssum
59,3
-2,9
40,9
5,2
28,3
5,2
7,6
-1,6
2,2
-7,1
9,1
-6,6
11,9
Rekum
73,9
-1,4
38,9
4,4
32,8
6,3
6,6
-3,0
2,4
-9,2
6,9
-4,1
12,4
Rönnebeck
66,3
-1,4
42,3
7,5
31,5
5,9
5,9
-3,0
2,1
-7,5
6,8
-6,9
11,4


62,8
-2,3
40,1
6,0
30,3
5,7
7,0
-2,1
2,1
-7,7
8,4
-6,5
12,1
Burglesum













Burg-Gramke
67,6
-1,2
37,6
5,2
32,0
8,4
7,5
-2,9
3,0
-8,5
10,1
-6,0
9,8
Werderland
77,5
0,8
35,7
5,0
28,0
6,9
13,7
-5,6
3,6
-6,1
13,1
-3,2
5,9
Burgdamm
59,6
-2,4
40,4
6,2
31,7
6,2
6,1
-3,1
2,7
-7,1
9,2
-6,1
9,9
Lesum
71,0
0,1
36,4
5,5
36,4
5,1
11,4
-3,0
4,3
-7,5
7,6
-4,8
9,3
St. Magnus
78,0
-1,7
31,6
3,9
37,4
6,5
11,7
-2,7
4,3
-8,4
6,1
-3,8
8,9

68,2
-1,2
36,6
5,2
32,8
6,4
9,3
-2,9
3,6
-7,8
8,3
-5,2
9,4

Vegesack














Vegesack
67,7
-2,8
35,2
5,1
30,5
6,9
11,4
-3,9
4,1
-7,3
8,7
-5,0
10,1
Grohn
67,8
-2,3
37,5
1,2
28,4
6,2
10,4
-1,6
2,9
-7,3
8,2
-5,4
12,6
Schönebeck
74,6
-0,3
33,8
3,9
33,1
5,3
12,0
-3,1
3,5
-7,9
7,8
-3,2
9,8
Aumund-Hammersbeck
66,7
-2,2
39,7
4,9
29,8
7,3
9,1
-2,9
2,2
-7,3
9,1
-6,7
10,1
Fähr-Lobbendorf
64,0
-2,7
39,1
6,0
29,1
5,6
8,2
-2,5
2,8
-6,9
8,0
-7,0
12,8


67,8
-2,2
37,2
4,5
30,2
6,3
10,1
-2,7
3,1
-7,3
8,4
-5,6
11,0

Nord-Bremen

66,3
-1,9
37,9
5,2
31,2
6,2
8,9
-2,6
3,0
-7,6
8,4
-5,7
10,6

Bremen

(Stadt)

69,9
-1,5
35,0
5,2
29,1
5,4
12,8
-3,3
3,5
-7,2
10,2
-4,0
9,4

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