Montag, 17. Dezember 2012

Image Bremen-Nord

Nur ein Marketing-Problem?


Bremens Norden braucht zunächst reale Maßnahmen und keine Imagewerbung








Hintergrund: Der Wirtschaftssenator hat der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen am 28.11.2012 eine Marketing-Strategie für den Stadtbezirk Bremen-Nord vorgelegt. Das Grundkonzept besteht darin, die negativ bewertete Marke „Bremen-Nord“ durch eine Kombination des Namen des jeweiligen Ortsteils mit der Image-Lokomotive Bremen zu ersetzen, die durch das Weltkulturerbe Rathaus/Roland und die Bremer Stadtmusikanten positiv besetzt ist. Daher sollen die Bezeichnungen Bremen-Blumenthal, Bremen-Burglesum und Bremen-Vegesack in der Werbung für den Bremischen Norden herausgestellt werden.

Während dieses Konzept in der Deputation nur auf eingeschränkte Zustimmung stieß, sah der Vorsitzender des SPD Unterbezirks Bremen-Nord die Substitution einer „verallgemeinernden negativen Wahrnehmung“ durch den „Anschluss Bremen-Nords an die starke Marke „Bremen“ als äußerst positiv an“.

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Leserbriefe von Skeptulant




Bremen-Nord in einer schönen neuen Sprachwelt



Viele Städte haben ihre Problembezirke, die aufgrund sozialer und ökologischer Belastungen als Gewerbestandorte und vor allem Wohngebiete wenig attraktiv sind.

Für ein schlechtes Image gibt es in der Regel handfeste Gründe, so sind es in Bremen-Nord neben Industriebrachen beispielsweise die Umweltbelastungen durch das Kohlekraftwerk und das Tanklager Farge sowie der soziale Brennpunkt George-Albrecht-Straße.

Will man diese Problemzonen beseitigen, ist das sehr zeit- und kostenaufwendig. Das zeigt etwa eine Beseitigung der Umweltschäden, die durch das Tanklager Farge entstanden sind. Hier rechnet der Umweltsenator Dr. Joachim Lohse mit einem Sanierungszeitraum von „mindestens zehn Jahren“, und auch die Kosten darf man nicht übersehen. So würde, wie der Blumenthaler Ortsamtsleiter Peter Nowack berichtete, eine Umnutzung der Fläche nach einer groben Schätzung eine halbe Milliarde Euro kosten.

Das sind dicke Bretter, die Politiker nicht gern bohren, da sie in Legislaturperioden und schnellen Erfolgen denken.

Da lag es nahe, dass man in Bremen nach einem anderen Weg gesucht hat, um das Image des Bremer Nordens zu verbessern. „Warum soll man die belastende Realität ändern, wenn das Image eines Gebiets im menschlichen Gehirn entsteht?“, mag man gedacht haben. „Ist nicht ohnehin ein Neuromarketing gerade aktuell und beim Absatz von Markenartikeln erfolgreich?“

So hat der Wirtschaftssenator eine Imagestudie für den Bremer Norden bei der Uni in Auftrag gegeben, die jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der schlagzeilenträchtige Kernvorschlag der entwickelten Marketing-Strategie besteht darin, den Begriff "Bremen-Nord" zu vermeiden und stattdessen die positive Marke "Bremen" mit den Namen der drei Ortsteile Burglesum, Vegesack bzw. Blumenthal zu verbinden.

Da fragt sich nur, ob auch chemische Verbindungen wie Benzol, die den Boden in Bremen-Nord, sorry, in Bremen-Blumenthal belasten, durch diese kostengünstige neue Sprachregelung ihre Giftwirkung verlieren und nicht weiterhin die Gesundheit der Bewohner bedrohen.

Falls die realen Probleme fortdauern, könnte sich die pfiffige Idee sonst noch als Schildbürgerstreich erweisen, der den positiven Kern der Marke „Bremen“ gefährdet.



Sozialkosmetische Solidarität?
Der sicherlich sehr kompetente und erfahrene SPD-Politiker Reiner Holsten scheint bei seiner fast überschwänglich positiven Beurteilung der Werbe-Strategie für den Bremer Norden den sozialdemokratischen Grundsatz der Solidarität vergessen zu haben. Oder hat er etwa nicht an die Folgen gedacht, die eine Umsetzung des Marketingkonzepts haben wird?

Wenn man den Oberbegriff „Bremen-Nord“ vermeidet, werden die Ortsteile auf einem Imagemarkt konkurrieren, wobei sich schnell ihre unterschiedlichen Fähigkeiten herausstellen werden. Dabei dürfte es nicht schwer sein, Gewinner und Verlierer vorherzusagen.

Da sich die Umweltprobleme (z.B. Tanklager, Kraftwerk) und die sozialen Brennpunkte (z.B. George-Arbrecht-Straße) in Blumenthal kumulieren, wird sich das negative Image von Bremen-Nord auf die neue Marke „Bremen-Blumenthal“ konzentrieren. Die schwache Schulter dieses Ortsteils kann also nicht mehr durch die der beiden anderen entlastet werden.

Vegesack mit seiner maritimen Meile und Burglesum mit seinen Parks dürfen sich hingegen darüber freuen, nicht mehr in die Schublade „Bremen-Nord“ gesteckt zu werden.

Vielleicht keine schlechte Lösung für einen Abgeordneten, der am Burgdammer Ring wohnt.

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